Article by Fabian Petschnig

Die 6 patriarchalen Muster beim heterosexuellen Geschlechtsverkehr

Es könnte so einfach sein. Aber von Beginn an bekommen wir ein falsches Bild von dem, das doch natürlich ist und von allein passieren würde. Man möchte glauben, der Mann ginge als Gewinner hervor. Oberflächlich betrachtet ist dem auch so. Verlierer ist er ja auch nicht wirklich. Ganz im Gegensatz zur Frau. Die verzichtet. Weil unsere Gesellschaft es uns so beibringt. Der Mann muss kommen – tut er es nicht, dann war es wohl nicht gut genug. Und so berauben wir uns alle letztlich einer weit tieferen Begegnung. Einer intensiveren. Eines Miteinanders, das ganz gleich des Geschlechts erst wirklich guten Sex möglich macht.

Mein erster Porno „Fuck WG“ auf DVD kam mir zum damaligen Zeitpunkt als unglaubliche Bereicherung in meinem Leben vor. Kurz vor meinem ersten Mal. So dachte ich, ich wüsste, wie es geht. Wo ich hinzufassen habe. Wie ich mich bewegen sollte. Und was die Frau geil findet. Dass es so fern ist von dem, was wirklich guter Sex ist, war mir damals noch nicht wirklich bewusst. Sozialisiert durch eine Show.

Zusätzlich gab es in mir das gesellschaftlich geprägte Bild, der Orgasmus der Frau sei sowieso etwas, das beinahe nicht zu erreichen ist. Sex als etwas, das man dem Mann schenkt. Etwas, dass nur den Männern wirklich Spaß macht. Die Frau, eine Nebendarstellerin. Stets das Ziel vor Augen, den Mann glücklich zu machen.

Der Ausbruch aus diesen Strukturen – den patriarchalen Strukturen –  eröffnete mir Jahre später eine vollkommen neue Welt. Sind doch auch wir Männer limitiert durch diese 6 patriarchalen Muster beim heterosexuellen Geschlechtsverkehr.

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1. Penetration: Das Nonplusultra des männlichen Sex

In jeder bildlichen Darstellung von Sex dringt der Mann in die Frau ein. Meist ohne wirkliches Vorspiel – und häufig nicht sehr lange. Die weibliche Lust spielt nur selten eine Rolle. Obwohl erst die Lust beider sich am anderen erfreuender Spielgefährten Sex auf ein neues Level hebt.
Stattdessen liegt der Fokus auf dem Penis. Die Klitoris ein Mysterium, das Man(n) sehr oft nicht kennt. Durch Stigmatisierung sexueller Lust bei Frauen sind auch sie gehemmt, in jüngeren Jahren daran etwas zu ändern. Denn: Eine selbstbestimmte Frau, die ihren eigenen Körper kennt, würde wohl nicht lange derartig einseitigen und lustlosen Sex akzeptieren.

Side Fact: Einst maßte sich außerdem ein Mann – bekannt unter dem Namen Sigmund Freud – an, Frauen als unreif zu bezeichnen, die nur klitoral und nicht vaginal zum Orgasmus kommen.

2. Objektivierung des anderen Geschlechts

Werbung, Medien und vor allem Männer sind die Verursacher von übersexualisierten Darstellungen der Frauen – und auch der Männer selbst. Diese Objektivierung bedeutet zugleich eine Herabwürdigung. Rein oberflächliche Merkmale heranzuziehen, um Menschen einer Beurteilung zu unterziehen, hat nicht nur Auswirkungen auf den Sex, sondern auf unser alltägliches Leben.

Beim Sex jedoch bedeutet dies, dass wir anhand gewisser Merkmale etwas besser oder schlechter finden. Sich rein auf äußerliche Merkmale zu fokussieren, verhindert nicht nur, dass wir Menschen auf anderen Ebenen begegnen können, sondern vor allem auch, dass wir uns selbst – egal, ob nun Frau oder Mann – fallen lassen können. Oberflächlichkeit führt also auch zu oberflächlichem und letztlich schlechtem Sex.

3. Quantität statt Qualität: Zeit ist Sex

Der triviale Gedanke, den jeder kennt: Frau hat viele Männer. Dann ist sie eine Schlampe. Mann hat viele Frauen. Er ist ein Held. Natürlich kommt es da in der Realität mittlerweile zu einer differenzierteren Betrachtung. Dennoch steckt es noch immer in unserem unbewussten Denken. Getrieben von der vermeintlichen Natur der Menschen denken wir, es wäre normal, dass Männer viele Frauen „begatten“. Doch so sehr sich manche auch auf diese primitiven Ursprünge unseres Seins berufen, wir sind in unserer Entwicklung schon um einiges weiter. Oder wollen wir uns immer noch als Primaten sehen?

Zugleich setzt Man(n) voraus, dass Frau sich mit einem einzigen Sexualpartner zufriedenzugeben hat. Monogamie ist jedoch nichts Geschlechterspezifisches, sondern etwas Individuelles. Dennoch beurteilen wir nach wie vor nach dem Geschlecht.

 

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4. Von Omnipotenz, Virilität und Machtverhältnissen

Was ist eigentlich männlich? Das grundlegende Verständnis von Virilität ist, dass Mann stark und kräftig sein soll. Das wiederum überträgt sich in die Welt der Sexualität und erzeugt ein vollkommen verzerrtes Bild vom Mannsein (nicht nur beim Sex, aber dort vor allem). Es schadet dabei, wie so viele patriarchale Muster, der Frauen- aber eben auch der Männerwelt.

Durch das patriarchal geprägte Machtverhältnis entsteht im Bett eine strikte Rollenverteilung, die dem Mann ein ungesundes und manchmal auch gefährliches Selbstverständnis verleiht. Dominanz. Härte. Zielstrebigkeit – mit dem Ziel der Penetration, wie bereits im ersten Punkt erwähnt wird. Dieses falsche Machtverständnis führt nicht selten in fehlgeleiteten Teilen der Gesellschaft dazu, dass sexuelle Übergriffe eine vermeintliche Normalität darstellen.

Demgegenüber sollte Mann immer können – kann er es nicht, ist er ein “Schlappschwanz”. Denn das Patriarchat fördert den Gedanken des Alphamännchens, das seine Alpha-Gene alphamäßig in der Welt verteilt. Je höher der soziale Status des Mannes – meist gebunden an Geld beziehungsweise monetären Erfolg -, desto ausgeprägter das Phänomen. Dieses trägt mittlerweile sogar einen Namen: Das Alphamännchen-Syndrom. Die geforderte Omnipotenz führt außerdem nicht selten zu einem unliebsamen Druck. Aufgrund von Penetration als patriarchales Sex-Verständnis greifen zwei Probleme ineinander und treffen auch die Männerwelt. Wenn er immer stehen muss, weil es ja nur dann Sex ist. Und so dreht sich der Kreis.

 

5. Geschlechterkonstrukte statt individueller Bedürfnisse

Zum Glück leben wir im 21. Jahrhundert, wo das soziale Geschlecht nicht mehr unbedingt mit dem biologischen übereinstimmen muss. Doch leider steckt der Großteil der Gesellschaft nach wie vor im Denken abseits des weltoffenen Diskurses. Somit bleibt die Realität (aktuell noch) vom bereits erworbenen Wissen über Geschlechter und ihre vermeintlichen Rollen im Großen und Ganzen unberührt.

Im Konstrukt der Geschlechter verloren, pressen wir uns in Rollen, die wir so meist gar nicht erfüllen wollen – ja, manchmal wissen wir noch nicht, dass wir das so nicht wollen, weil wir es noch nicht anders kennen. Statt die eigenen Bedürfnisse zu verfolgen, jagen Männer einer gesellschaftlichen Vorstellung nach, wie sie als Mann zu sein hätten. Man könnte meinen, das wäre ein Teufelskreis. Beeinflusst von Werbung, Medien und direkter Umwelt bräuchte es aber eigentlich nur eines: selbstbewusste, emanzipierte Männer.

Denn Männer, die sich nicht durch das Mannsein und durch die vom Patriarchat zugeschriebenen, männlichen Eigenschaften definieren, sondern durch ihre individuellen Stärken und auch Schwächen, durchbrechen zwangsläufig über kurz oder auch lang die hier beschriebenen patriarchalen Muster.

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6. Die Macht und Ohnmacht des “Nein”

Ein Wort, so klingend und präzise, dass man es einfach nicht falsch verstehen kann. Außer so manch ein Mann. Der versteht es wieder anders. Denn Frauen wollen erobert werden. Der Konsens ergibt sich aus dem Werben um die Frau. Oder? Leider denken zu viele in diesem patriarchalen Muster, wodurch sich Frauen Tag für Tag mit sexuellen Übergriffen und sexueller Belästigung konfrontiert sehen. Auch hier greifen alle Punkte ineinander – Virilität, Omnipotenz, Machtverhältnisse, Geschlechterkonstrukte und Objektivierung. Denn Mann weiß, was Frau braucht. Und Frau weiß nicht, was sie will.

Egal ob im Club, in der U-Bahn oder sogar im Büro – Nein ist örtlich ziemlich ungebunden. Dennoch in seinem Verständnis ziemlich unflexibel. Denn sonst hieße es ja Jain.

Ganz ehrlich: Man kann grundsätzlich einfach mal probieren, konsequent das Nein als Nein zu verstehen. Das hat den positiven Nebeneffekt, dass man Menschen aus dem Weg geht, die nicht wissen, was sie wollen. Oder willst du jemanden, der nicht weiß, was sie:er will? Oder weißt du nicht, ob du das willst?

Männer, emanzipiert euch!

Egal, was du weißt. Oder was du willst. Nein heißt einfach Nein. So sollte auch jeder Mann für sich selbst Nein sagen zu den Mustern, in denen er sich selbst wiedererkennt. Oft sind es die kleinen Schritte, die es braucht, um große Veränderung zu bewirken. Natürlich braucht es auch ein anderes Verständnis des Mannseins. Aber dieses ergibt sich, wenn immer mehr Männer die patriarchalen Ketten ablegen und mit gutem Vorbild vorangehen. Männer, emanzipiert euch!

 

In der Serie “Unlearning patriarchy” verlernen wir uns beigebrachte Geschichte und lernen sie aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Das Schreiben einer gemeinsamen „We-Story” beginnt damit die alten Geschichten zu verlernen. Sanft, freundlich und vor allem mit dem Vorsatz wenig zu werten.

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