Article by Stefan Feinig

Vom Versorger zum Fürsorger: Elternschaft im Patriarchat

Wenn sich ein Paar dazu entschließt Kinder zu bekommen, dann sind, egal für wie alternativ und revolutionär man und frau sich auch immer hält, die Rollen schnell klar verteilt. Die Mutter übernimmt die Kindererziehung (die Fürsorge) und der Vater die Rolle des finanziellen Versorgers. Eine Aufteilung, die in dieser radikalen Form so vermutlich niemand wirklich haben will. Oder doch? Versuche dieses System zu durchbrechen, sind oftmals zum Scheitern verurteilt. Wie kommt das?

Geschlechterrollen überall – die europäische Wertestudie: eine unwissentliche Katastrophe

Wie alternativ man auch sein will oder glaubt zu sein, die Traditionen und vorgeschriebenen Rollen holen einen immer wieder ein. Frauen genauso wie Männer. Beispiel gefällig? Gerne! Und dieses kommt auch noch von der höchsten europäischen Stelle. Bei der aktuellen europäischem Wertestudie wurde erfragt, wie sehr bestimmte Aussagen zutreffend sind. Auch bezüglich Geschlechterrollen gibt es solche zu bewertenden Statements.

Eine Aussage sticht dabei heraus. Das Familienleben leidet bei vollzeitberufstätiger Frau, steht dort geschrieben. 63 Prozent der Befragten stimmten dem zu. Fair enough! Aber es kommt noch besser: (Klein-)Kinder leiden (wahrscheinlich) bei berufstätiger Mutter. Tun sie das? Knapp mehr als jede:r zweite:r Europäer:in ist dieser Meinung. Immerhin waren es vor knapp zwanzig Jahren noch 83 Prozent.

Doch das ist nicht einmal der Punkt. Das Beste an der ganzen Studie ist nämlich das, wonach gerade nicht gefragt wird. Die berufstätige Mutter ist ein Problem? Gut! Der arbeitende Vater aber nicht!? Es scheint fast so. Denn an keiner Stelle wird gefragt, inwiefern nicht auch ein voll berufstätiger Vater ein Problem ist und Kinder vor allem auch darunter leiden, dass Papi arbeiten geht. Die arbeitende Mutter ist ein Problem, der arbeitende Vater, der nur am Wochenende Zeit hat, aber nicht! So das unterschwellige Fazit. Die Rollen sind demnach klar verteilt. Die eine ist die (u.a. emotionale) Fürsorgerin und der andere der (finanzielle) Versorger.

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Kindererziehungsmodelle – Einmachtopf und Altersarmut

Etwas persönliches: Am Anfang meiner derzeitigen Beziehung waren mir klare finanzielle Verhältnisse sehr wichtig. Jeder verdient sein Geld und ist auch für sein eigenes Leben selbst verantwortlich. (Meine Partnerin hat damals noch viel mehr verdient als ich und ich will niemandem auf der Tasche liegen!). Überhaupt: Warum sollte der/die eine für den/die andere:n aufkommen? Warum soll der Mann immer alles zahlen? Nur weil er ein Mann ist? Oder warum sollte der/die Mehrverdiener:in den/die Geringverdiener:in „aushalten“ müssen? Diesbezüglich kann das natürlich jeder und jede halten wie er oder sie will. Doch immer noch gilt hauptsächlich, dass der Typ bezahlen soll. Der Kerl ist also mehrheitlich immer das Geld. Die festgeschriebene Rolle als Versorger scheint, was das betrifft schwer zu überwinden.

Bei der Elternschaft gehen diese Strukturen oft weiter. Still und heimlich nehmen die Geschlechter wieder ihre traditionellen Rollen ein, wenn sie diese nicht vorher schon innehatten. Aus welchen Gründen auch immer: Ok, der Mann verdient aufgrund des Gender-Pay-Gap in seinem Job (höchstwahrscheinlich) mehr und es ist wirtschaftlich gesehen besser, wenn er Vollzeit arbeitet und die Frau eben nicht, oder nur Teilzeit. In ihrem Buch „Raus aus der Mental Load Falle“ schlägt Patricia Cammarata diesbezüglich jedoch folgendes vor: Sobald man Kinder hat, sollten alle Erziehungsberechtigten ihr Einkommen in einen Topf legen und durch zweiteilen. As simple as that!

Das hört sich einmal nicht so schlecht an. So spielt es keine Rolle, wer mehr verdient, da es ohnehin geteilt wird. Aber nur beim ersten Mal hinhören, erscheint dieses Modell fair. Denn am Gender-Pay-Gap, an den Strukturen und an den stereotypen Rollen ändert sich so immer noch nichts. Der eine ist Versorger, die andere Fürsorgerin. Geld wird verteilt, Struktur bleibt dieselbe.

Vor allem bleibt Cammaratas Modell jedoch ein riesiger Nachteil für Frauen. Da diese so nichts in ihre Pensionskasse einzahlen und bei einer späteren und statistisch recht wahrscheinlichen Trennung plötzlich ohne Berufserfahrung dastehen. Und natürlich auch noch ohne eigenes Einkommen. Denn nicht eine jede Beziehung hält bis zur Pension. Die Statistiken lügen nicht. Altersarmut bei Frauen scheint auch in diesem Modell vorprogrammiert. Auch was das betrifft sind die Studien eindeutig.

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Die Strukturen gehen weiter

Vor allem werden in diesem Modell die Rollen wieder klassisch und klar verteilt. Der eine schafft die Kohle heran. Die andere Person (Frau) kümmert sich um die Kinder. Fürsorgerin – Versorger und eine unüberwindbare Grenze dazwischen.

Klar, die Möglichkeit besteht (und auch das schlägt Cammarata in ihrem Buch vor), dass beide einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen, beiden die gleiche Zeit überbleibt und sie sich die Kindererziehung gerecht aufteilen. Hört sich fair an. Und ist vom Ansatz her ganz nett gedacht. Aber: mit zwei Teilzeitjobs eine Familie über die Runden zu bringen, vor allem in der derzeitigen Situation –  Viel Spaß! Vor allem würden dann wiederum beide höchstwahrscheinlich nicht gleich gut verdienen.

Er Vollzeit und Sie ohne eigenes Einkommen ist da wirtschaftlich gesehen häufig noch das bessere Modell, als wenn Er und Sie, beide Teilzeit arbeiten gehen. Natürlich abhängig vom Beruf. Doch auch was gut verdienende Frauen angeht (im Vergleich zu Männern), sind diese immer noch eine Ausnahme. Durchschnittlich verdienen Frauen in Österreich nämlich immer noch um 20 Prozent weniger als Männer.

Fehlende Wertschätzung für die Fürsorge

Wie man es dreht und wendet: Versuche, die Rollen zu durchbrechen, scheitern. Oder erweisen sich als zu schwierig. Oft scheitert es nicht einmal an dem Willen und der Motivation der Einzelnen, sondern einfach nur an den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Staatliche Anreize scheinen da leider oft ein wenig lächerlich. Der Papamonat bringt 700 heiße Euro im Monat. (Bis das Geld auf meinem Konto eingetrudelt ist, habe ich ein halbes Jahr warten müssen!) Und das Karenzgeld ist auch nur ein Tropfen auf denheißen Stein. Da zahlt es sich finanziell gesehen immer noch mehr aus, arbeiten zu gehen, anstatt ein halbes oder ein ganzes Jahr auszusetzen. In unserem Fall gäbe es pro Person um die 700 Euro Karenzleistung pro Monat. Bei mir würde ein Monat wegfallen, da das Geld für den Papamonat vom späteren Karenzgeld abgezogen wird, da man nicht beide Geldleistungen beantragen kann.

Die gerechte Aufteilung der Kindererziehung ist ein Projekt, das von allen Seiten torpediert wird. Erst einmal von der gängigen und einzementierten Ideologie, dass Frau Fürsorgerin und der Mann der Versorger ist und an dieser Trennung nicht zu rütteln ist. Und dann noch einmal, was vermutlich schlimmer ist, von der fehlenden Wertschätzung für die Fürsorge im Allgemeinen, sprich: von Wirtschaft und Staat. Während Manager sich massenhaft Kohle in die Taschen stopfen, werden Menschen und auch Berufsgruppen, bei denen eben Fürsorge im Zentrum steht ignoriert. Care-Arbeit wird immer noch nicht gerecht entlohnt beziehungsweise gefördert und unterstützt.

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Das liebe Geld

Geld ist, was das betrifft, ein wichtiges Thema. Es ist neben dem dabei sein bei der Entwicklung des Kindes natürlich essentiell, dass man seinen Kindern auch die bestmögliche Lebensqualität bieten will. Sich selbst aufzugeben – in der Fürsorge oder in der Versorgung – ist da vorprogrammiert.

Aber auch auf sich selbst darf man nicht vergessen. Denn wenn man heute weniger arbeitet (und länger bei den Kindern bleibt) dann rächt sich das später in Form einer niedrigen Pension und führt womöglich noch dazu, dass die Kinder später für einen sorgen müssen. Zeit mit den Kindern zu verbringen, bleibt jedoch weiterhin unbezahlbar und sollte nicht mit Geld aufgewogen werden. Aber dann wiederum…

Wenn man Kinder bekommt, muss man zweifelsohne zurückstecken. Beruflich ist das immer noch allzu oft die Frau. Und auf menschlicher Ebene, der Ebene der Fürsorge, ist es immer noch allzu oft der Mann. Leider scheint es fast so, als wären beide immer noch mit dieser Aufteilung zufrieden. Neue und alternative Lösungen scheinen schwierig. Es läuft vermutlich darauf hinaus, dass beide Vollzeit arbeiten gehen müssen und keiner der beiden viel von seinen Kindern hat. Die Situation scheint hoffnungslos – für alle Beteiligten. In solchen Situationen machen die meisten Menschen bekanntlich das, was am naheliegendsten ist und das ist – eingelebte Rollenverhalten zu wiederholen.

In der Serie “Unlearning patriarchy” verlernen wir uns beigebrachte Geschichte und lernen sie aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Das Schreiben einer gemeinsamen „We-Story” beginnt damit die alten Geschichten zu verlernen. Sanft, freundlich und vor allem mit dem Vorsatz wenig zu werten.

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