Article by TWGE Redaktion

Mama und Mama: Mutterschaft mit Hürden

Erst seit wenigen Jahren ist es für queere Personen in Österreich möglich, ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Davor reisten vor allem lesbische Paare nach Dänemark, um auf legalem Wege Eltern zu werden. So erging es auch Maja und Milena Kostic-Vorpagel. Von hohen Reisekosten, rechtlichen Hürden und neugierigen Fragen.

Copyright: Pure Liebe Fotografie

Das Wohnhaus steht in einem Wiener Randbezirk. Es ist ruhig, bis auf ein paar Kinder, die auf dem Spielplatz direkt vor der Tür toben. In der Wohnung sind die bunt gestrichenen Wände voller Familienfotos. Ein Hund schläft im Flur in seinem Körbchen. Auf der Couch liegt ein Stofftier und die Kommode quillt beinahe über von Basteleien, die von tapsigen Kinderfingern gezaubert wurden. Ein glänzender Luftballon in Form einer drei schwebt an der Decke. „Die Kleine hatte gerade Geburtstag“, erklärt Maja. Alles ist so, wie man sich eine Familienwohnung vorstellt. Außer, dass es die Kinder eigentlich nicht hätte geben dürfen.

Zumindest nicht in Österreich. Denn Maja und Milena leben in einer lesbischen Partnerschaft. „Ich wollte schon immer Kinder“, erzählt Maja. Sie ist 42 Jahre alt und seit über 15 Jahren mit Milena zusammen. Es war nicht einfach für Maja, sich zu outen. Am Beginn ihres Erwachsenenlebens konnte sie der Wahrheit aber nicht mehr ausweichen. Ihr wahres Ich zu leben bedeutete damals, kinderlos zu bleiben.

Regenbogenfamilien in Österreich

Erst seit 2015 ist lesbischen Paaren die Behandlung mit einer Samenspende in einer Kinderwunschklinik möglich. Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes war die weltweit erste, mit der ein Höchstgericht den Ausschluss lesbischer Paare von medizinisch unterstützter Fortpflanzung als Menschenrechtsverletzung anerkannt hat. 2016 folgte die gesetzliche Regelung, die homosexuellen Paaren seither die Adoption erlaubt. Für Milena und Maja kam dies zu spät, sie wünschten sich bereits 2006 eine Familie. Deshalb begannen sie zu recherchieren.

„Klar kann man den illegalen Weg gehen und über Russland ein Kind adoptieren. Oder man geht einfach mit irgendwem ins Bett. Aber das ist doch absolut nicht das, was man sich wünscht, wenn man von einer Familie träumt“, sagt Maja. Sie sitzt auf der Couch, während Milena am Esstisch ihre Tochter füttert. Für das Paar war klar, dass sie einen legalen Weg einschlagen möchten. So kamen sie auf Dänemark. Dort war eine Insemination – Befruchtung mittels Samenspende – schon damals für lesbische Paare genauso möglich wie für heterosexuelle. Die beiden machten sich auf die Suche nach einer geeigneten Klinik. Als sie sich für eine entschieden hatten, folgten mehrere Untersuchungen, körperliche und psychische. Maja sollte das Kind bekommen und so wählten sie einen Spender aus, der Milena ähnlich sah.

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Zyklische Flüge

Maja war damals erst 29 Jahre alt war. Dennoch benötigten sie vier Versuche. Nur circa 40 Prozent der Befruchtungen funktionieren beim ersten Mal. Etwa zwei Drittel der Behandelten in Majas Alter sind nach spätestens vier Inseminationen schwanger. Normalerweise bedeutet eine Befruchtung eine kurze Fahrt zum Arzt. Aber nicht für Maja und Milena. „Andere die in Wien lebten konnten zügig in den 13. Bezirk zur Kinderwunschklinik oder in eine andere Praxis fahren. Für uns hieß es dagegen Eisprung, wir fliegen“, erzählt Maja. Die vielen kurzfristigen Flüge und die Kosten für die Behandlung in der Klinik gingen ordentlich ins Geld.

Eine weitere Hürde war die Planbarkeit. Milena und Maja sind beide Pädagoginnen und konnten nicht  jederzeit spontan Urlaub nehmen. „Deshalb haben wir auch ein Sommerferien- und ein Winterferien-Kind“, sagt Maja lachend. 2008 kam Dana Sophie zur Welt. Vor dem Gesetz war sie zuerst nur Majas Kind. „Nicht einmal eine Büchereikarte hätte Milena für Dana Sophie gekriegt“, kritisiert Maja. „Das wir miteinander ein Kind bekommen haben und ich dann  rechtlich keine Ansprüche hatte, war sehr bitter“, ergänzt Milena. Bei heterosexuellen Paaren wird nach einer Befruchtung mittels Samenspende automatisch der Ehepartner als Vater eingetragen.

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Ein Recht auf Elternschaft

2010 wurde in Österreich die gleichgeschlechtliche Partnerschaft erlaubt, aber Maja und Milena schreckten anfangs davor zurück. Denn im Partnerschaftsgesetz wird explizit ausgeschlossen, das eingetragene Partner die Kinder des anderen adoptieren. Erst 2013 hatten sie nach einem jahrelangen Rechtsstreit die Möglichkeit, Milena als Wahlmutter eintragen zu lassen. Maja kann im Nachhinein über die Absurdität der Situation lachen: „Als wir damals wegen der Adoption vorsprechen mussten beim Jugendamt, da saß Dana Sophie auf dem Schoß von Milena und hat sie umarmt und gestreichelt. Da sagt die Sozialarbeiterin zu mir: ‚Und? Hat das Kind zu Ihnen auch so eine innige Bindung, obwohl Sie nicht die leibliche Mutter sind?‘“ Bis zu diesem Zeitpunkt flog die Familie rechtlich gesehen unter dem Radar. „Erst 2014, nach der Adoption und der Verpartnerung, waren wir vor dem Gesetz eine legale Familie“, erzählt Milena. Maja konnte ab diesem Punkt besser schlafen. „Man muss sich nur vorstellen, mir passiert etwas und dann steht das Kind auch noch ohne Milena da. Das war eine reale Angst“, sagt sie.

Familienplanung 2.0

Die Jahre vergingen und die beiden versuchten ein zweites Kind zu bekommen. Es gestaltete sich nun noch schwerer als beim ersten. Knapp 4000 Euro gingen allein für die Hormonbehandlung drauf, ganz zu schweigen von den weiteren Flügen nach Kopenhagen. Mittlerweile wäre zwar eine Behandlung in Österreich erlaubt gewesen, aber Maja und Milena wollten, dass Dana Sophie ein Geschwisterchen vom selben Spender bekommt. 2018 entschieden sie sich zu einem letzten Versuch – und hatten Glück. Lilli Magdalena ist nun drei Jahre alt. Ein Blick auf die beiden verrät die Ähnlichkeit. „Da drüben haben die Mamis die Fotoalben“, meldet sich die 13-jährige Dana Sophie zu Wort. Sie gleicht mit ihrer Größe der hochgewachsenen Erscheinung von Milena. Ein Bild aus ihrer Kleinkindzeit könnte genauso ein Foto von Lilli Magdalena sein. Schon kommt letztere ins Wohnzimmer gehüpft. „Ich hab mir wehgetan“, ruft sie in Richtung Milena. Das „Aua“ wird geküsst und schon ist alles nur noch halb so schlimm.

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Obwohl der Weg zu ihrer eigenen Familie kein einfacher war, verzagten Milena und Maja nie. „Als homosexuelle Frau bist du so glücklich über das, was du hast. Wir waren so froh, dass das mit den Kindern funktioniert hat, dass all die Hürden irgendwie egal waren“, sagt Maja. „Man ist lesbisch und irgendwie ist man ja selber schuld. Da nimmt man in Kauf, dass es nicht so einfach ist. Das war halt leider so“, ergänzt Milena nicht ganz frei von Ironie. Sie sind es gewöhnt, dass andere Menschen ständig ein Outing von ihnen erwarten, auch wenn es sie mittlerweile belustigt. „Kolleginnen fragten schon mal: ‚Was, du bist lesbisch? Warum hast du das nicht gesagt?‘ Darauf versuche ich meistens mit Humor zu antworten und frage dann zurück, ob sie denn ins Lehrerzimmer kommen, um laut zu verkünden, dass sie regelmäßig mit Männern schlafen“, erzählt Maja glucksend.

Queere Familien am Arbeitsplatz

Als Maja eine neue Vorgesetzte bekam, hatte sie trotzdem ein ungutes Gefühl. Sie war unsicher, ob ihre Beziehung als normal akzeptiert werden würde. Um Gerüchten zuvorzukommen, setzte sie sich mit ihrer Chefin zusammen und erzählte ihr von ihrem Familienmodell. Maja stellte klar, dass sie und Milena sich ja auch nicht vor der Schule öffentlich küssen würden oder dergleichen. Sollte jemand wegen ihrer Lebensweise auf die Direktorin zukommen, wäre sie gerne zu einem Gespräch für etwaige Fragen bereit. Ihre Chefin entgegnete dem trocken: „Mein Sohn ist schwul. Soll mir einer kommen. Und ihr könnt’s euch küssen wo ihr wollt.“

Auch sonst erfuhren die beiden bisher keine negativen Reaktionen auf ihre Familie. Für Maja scheint die Justiz hier der Akzeptanz der Menschen hinterherzuhinken. Sie betont die Art und Weise, wie Menschen auf ihre Familie reagieren: „Man bringt den Menschen Respekt entgegen und das erntet man dann auch. Ich als Volksschullehrerin hatte auch nie Probleme mit den Eltern der Kinder deshalb.“ Dana Sophie hatte in der Schule mit Lehrern oder anderen Kindern bisher ebenfalls keine nennenswerten Differenzen. „Ich schäme mich nicht für meine zwei Mamas und bin stolz auf meine Eltern“, sagt sie dazu.

Fragen über Fragen

Viele Leute sind sehr neugierig, wenn sie die beiden mit ihren Kindern kennenlernen. „Es wird immer geraten, wer von uns die Kinder bekommen hat. Oft liegen sie aber falsch und denken, dass ich es war“, erzählt Milena. „Das ist besonders spannend für sie, wer von uns beiden die leibliche Mutter ist“, stimmt Maja lachend zu. Ein bisschen freut es Milena, wenn jemand denkt, sie hätte die Kinder geboren. Nicht etwa, weil sie sich nicht als Mama fühlt, sondern weil es schön ist, auch im Außen selbstverständlich als Mama wahrgenommen zu werden. Besonders nach dem langen, rechtlichen Kampf, den sie hinter sich haben.

 

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„Natürlich spielt es keine Rolle, aus welchem Bauch die Kinder geschlüpft sind, sie sind bei uns beiden Zuhause“, sagt Milena dazu. „Gene sind nicht alles. Die ganze Liebe und Aufmerksamkeit, die wir geben, spiegelt zurück und dann erkennt man so viele von meinen Eigenarten, meiner Sprache und meinen Werten in ihnen. Es spricht Heteropärchen, die ein Kind adoptieren, auch niemand die Elternschaft ab.“ Trotz der oft aufdringlichen Fragen sind Milena und Maja froh im Heute zu leben. Wären sie nur wenige Jahre früher geboren, wäre ihre Familiengründung nicht nur beschwerlicher, sondern unmöglich gewesen, wie Milena glaubt: „Wir sind sehr froh, dass wir in dieser Zeit leben, mit allem was erkämpft wurde. Aber vor allem, dass die Kinder einen Start in eine Welt haben, in der sie aufrecht gehen und stolz sein dürfen zu sagen wer sie sind.“

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