Article by Magdalena Mösenlechner

Blut und Schweigen: trans Menstruation

Menstruation ist auch heute noch tabuisiert. Denn die Periode geht nur Frauen etwas an – oder etwa nicht? Luí ist non-binär und hat viele Jahre lang menstruiert. Im Gespräch mit The Wild Golden Egg erzählt er von seiner Beziehung zur Periode, die Darstellung von Menstruation in den Medien und was die Gesellschaft mit den Empfindungen einzelner Individuen zu tun hat.

In der Werbung tropft blaue Flüssigkeit auf Binden. In Filmen bedeutet die Periode immer Drama. Im Alltag werden Menstruierende als irrational und hormongeleitet bezeichnet. Im Job werden Schmerzen und Unwohlsein verschwiegen. Im 21. Jahrhundert gehen wir mit vielen Dingen offener um – Menstruation gehört jedoch nicht dazu. Die ständige Tabuisierung ist nicht einfach für Frauen. Aber noch schwieriger gestaltet sie sich für trans Personen.

Luí ist 29 Jahre alt und non-binär. Bereits mit neun Jahren begann er zu menstruieren. Seit über einem Jahr nimmt Luí Testosteron, weshalb seine Periode mittlerweile häufig ausbleibt. In unserem Wild & Golden Talk erzählt er von seinem langen Weg durch eine patriarchal geprägte Gesellschaft.

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Luí: Ich bin Musiker und mache Educational Content über queere Themen. Meine Assoziationen zu Menstruation sind auf jeden Fall viel Verschleierung und Ungewissheit. Es hat etwas von der Büchse der Pandora. Zumindest wenn man es gesellschaftlich betrachtet oder den Input miteinbezieht, den ich auch familiär bekommen habe. Aber meine persönliche Beziehung oder meine persönlichen Assoziationen sind eigentlich sehr neutral. Es ist just part of it – also es gehört halt einfach dazu.

TWGE-Redaktion: Wie ist oder war es für dich zu menstruieren?

Luí: Ich habe schon mit neun Jahren menstruiert. Meine Mutter hat das auf so ein Podest gestellt mit „Aha, du bist jetzt eine Frau.“ Ich habe mich dadurch auch sehr unwohl gefühlt, vor allem mit anderen Kindern. Außerdem habe ich mich sehr dafür geschämt, zum Beispiel wenn ich bei  Übernachtungen einen Tampon brauchte und auch, weil ich nicht sofort wusste, wie man diese Produkte genau verwendet. Es war auch schambehaftet zu fragen. Also am Anfang war das eher unangenehm und irgendwann wurde das etwas normalisiert.

Solange ich mich als Frau identifiziert habe, hatte ich in der Jugend auch meine Freundinnen, die ja auch menstruierten. Dadurch wurde das ein bisschen normaler. Als ich jetzt mein Coming-out hatte, war meine Periode für mich nichts, dass ich verstecken muss oder dass ich loswerden will. Ich habe nämlich erkannt, dass mein Körper kein Frauenkörper ist, sondern ein nicht-binärer Körper. Deshalb war meine Menstruation somit auch nicht-binär und einfach Teil meines Körpers. Aber das war ein langer, langer Weg, dass sich das so neutralisiert hat für mich und ich das nicht irgendwie bewertet habe. Weder positiv noch negativ.

trans menstruation

TWGE-Redaktion: Deine Mutter meinte also, dass du wegen deiner Periode als Frau gekennzeichnet bist. Was machen solche gesellschaftlichen Zuschreibungen mit dir?

Luí: Diese Fremdbestimmung was das bedeutet zu menstruieren und wer ich bin, weil ich menstruiere – das war wesentlich unangenehmer als mein persönlicher Bezug dazu. Ich hatte auch nicht wirklich Referenzen oder Repräsentationen von Leuten, die anders damit umgegangen sind. Die das zum Beispiel für sich selbst definiert haben. Dadurch war leider ein Großteil meiner Beziehung zu Menstruation eben fremdbestimmt. Das war auch die Zeit, wo ich am meisten Probleme damit hatte. Sobald ich da rausbrechen konnte, bemerkte ich, dass mich meine Periode gar nicht stört. Ich hatte dann auch keine Dysphorie deswegen und es hat sich auch nicht befremdlich angefühlt.

Infobox – Dysphorie

Bei Dysphorie handelt es sich um ein körperliches, psychisches oder soziales Unwohlsein, das bei vielen trans* und manchen nicht-binären Menschen durch die Eigen- und Fremdwahrnehmung entsteht. Dieses Unwohlsein kann beispielsweise durch Pronomen, Namen, Kleidung oder körperliche Merkmale ausgelöst werden.

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TWGE-Redaktion: Also empfindest du die gesellschaftlichen Zuschreibungen zu Menstruation schon eher klar definiert als weiblich?

Luí: Ja, sehr. Also die Gesellschaft will einem schon eintrichtern, dass Menstruation etwas ist, was nur Cis-Frauen erleben. Ich finde es zwar super, wenn Schulen oder Arbeitsplätze Tampons und solche Produkte zur Verfügung stellen, aber das machen die halt immer nur in Frauen-Klos. Ich habe das Gefühl, dass Periode generell etwas ist, worüber niemand sprechen möchte. Menstruierende flüstern leise miteinander, wenn sie Tampons benötigen. Dieser ganze Umgang kreiert die Tabuisierung der Menstruation mit. Und auch wenn ich jetzt nicht mehr menstruiere – das war sehr, sehr lange Teil von meinem Leben. Es kann auch noch immer vorkommen, obwohl ich Testosteron nehme. Ich würde mir wünschen, dass es Menschen überlassen wird, das für sich selber zu definieren und das man einfach drüber spricht, weil die Periode etwas ist, das viele verschiedene Menschengruppen betrifft.

TWGE-Redaktion: Wie siehst du die mediale Darstellung von Menstruation – auch bezogen auf trans Personen?

Luí: Bezogen auf trans Personen habe ich noch nie etwas dazu gesehen. Das ist sehr traurig. Aber allgemein finde ich die Darstellung ganz furchtbar. Es ist immer peinlich, es ist immer unangenehm. Es wird immer so dargestellt, als wäre das ganz furchtbar. Dabei werden Cis-Frauen auch absurd dargestellt. Als wären sie während ihrer Periode ausschließlich Biester. Wenn junge Menschen sich sowas anschauen, ob trans oder nicht, und das die einzige Repräsentation und Darstellung der Periode ist – natürlich will dann niemand öffentlich darüber reden. Aber das macht absolut keinen Sinn. Menstruation ist etwas so Menschliches.

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TWGE-Redaktion: Inwiefern unterliegt für dich Menstruation einem Tabu in der Gesellschaft?

Luí: Es beginnt schon in der Schulzeit. Vor allem, weil Teenager ja generell viel an Peinlichkeit leiden. Alles was der Körper halt so an Veränderungen durchmacht ist peinlich und unangenehm. Es gibt dann diese Situationen: „Oh, ich habe meine Tage bekommen, ich bin nicht darauf vorbereitet“. Genau in denen merkt man dann, dass du nicht einfach jemand fragen kannst und das eben nicht normal damit umgegangen wird, dass du gerade ein Hygiene-Produkt brauchst. Stattdessen wird unter Freundinnen peinlich geflüstert oder Zettelchen geschrieben haben, um das ja nicht auszusprechen und schon gar nicht vor den Jungs. Auch im Dating-Life ist das ein Riesenthema, das möglichst gar nicht angesprochen wird. Innerhalb von sehr intimen Beziehungen auch nicht. Und wenn, dann hatte ich schon das Gefühl hatte, dass es eben lächerlich gemacht wurde. Personen, die menstruieren oder unter PMS leiden werden dann von anderen so dargestellt, als wären sie böse und furchtbar zu ertragen.

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TWGE-Redaktion: Woran glaubst du liegt es, dass trans Menstruation nicht thematisiert wird?

Luí: Es ist eine Kombination aus den beiden Themen. Über trans Personen zu sprechen ist sehr, sehr neu. Zumindest was die große Öffentlichkeit betrifft. Es gab noch nie so viel trans Repräsentation in den Medien wie momentan. Das ist etwas sehr Schönes, aber eben auch schwierig und das Thema steckt auf jeden Fall noch in den Kinderschuhen. Trans zu sein, wird sowieso tabuisiert. Da haben wir dann eine tabuisierte Ebene. Und dann zusätzlich zu dieser Ebene noch das Thema Menstruation obendrauf – das kannst du halt vergessen. Niemand – mit niemand meine ich die Cis-Hetero-Gesellschaft – möchte über Menstruation sprechen. Und schon gar nicht, wenn es trans Personen betrifft. Es ist eine Summe an diesen beiden Themen, die anscheinend sehr unangenehm ist für andere.

Bei der Rubrik Queer Peers behandeln wir queere Themen rund um den Regenbogen.

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