Article by Julia Roschinsky

Disney’s verkorkste Familienstrukturen

„Hast du Probleme mit deinem Vater?“
„Ich habe doch nicht mal eine Mutter!“
„Wir auch nicht!“

(Dialog der Disney-Prinzessinnen mit Vanellope, Ralph Reichts 2)

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Keine Mutter, böse Stiefmutter, stolzer Vater. Herausgeschriebene Frauenfiguren. Das sind die typischen Familienstrukturen in den animierten Disney-Klassikern. Gerade in älteren Filmen werden veraltete Denkmuster vom Begriff Familie gelebt. Welche Stereotype finden sich in den animierten Klassikern und hat sich bis heute etwas daran geändert?

Das Stiefmutterproblem

 

Bereits in Schneewittchen zeichnet sich eine Form der Disney Familienstruktur-Formel ab. Die junge, hübsche und naive Protagonistin wächst ohne Mutter im Haushalt ihres Vatersauf. Sobald dieser stirbt, übernimmt die böse Stiefmutter Haus und Hof. Sie kümmert sich nicht um Schneewittchen und stellt ihr aktiv Stolpersteine in den Weg. Schließlich versucht die Stiefmutter sogar, Schneewittchen durch einen vergifteten Apfel zu ermorden. Sie ist also nicht nur eine Widersacherin, sondern eine aktive Gefahr für unsere Protagonistin.

Die Figur einer „Stiefmutter“ wird in Schneewittchen also negativ charakterisiert. Sie will dem Kind schaden und ist eine Gefahr, die es zu fürchten gilt.

Der Film „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ ist mit dieser Darstellung einer Stiefmutterallerdings nicht allein. Auch in „Cinderella“ oder der Rapunzel-Verfilmung „Rapunzel- Neu verföhnt“ findet sich die Rolle der bösen Stiefmutter wieder.

Es handelt sich also nicht nur um einen Einzelfall. Stiefmütter sind im Disney Stereotypenkatalog grundsätzlich immer Störenfriede und Antagonistinnen. Sie werden als illegitimer Teil der Familie dargestellt, der versucht, diese auseinanderzutreiben.

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Die tote Mutter

 

Bevor es überhaupt zur Figur der Stiefmutter kommen kann, muss zuerst eine andere Figur ins Gras beißen.

Lebende Mütter sind so rar wie erfolgreiche Disney-Animationsfilme in deren Post-Renaissance-Ära.

Die Figur der toten Mutter findet sich schon 1942 in Bambi, dessen für sorgliche Versorgerin in einer Hetzjagd erschossen wird. Meerjungfrau Arielle und Historienfigur Pocahontas haben nur einen strengen Vater-von der Mutter keine Spur. Prinzessin Jasmin wächst ebenfalls mutterlos auf. Schneeköniginnen Anna und Elsa verlieren ihre Mutter bei einem Schiffsunglück.

Um an dem Beispiel aus „Die Eiskönigin“ anzuknüpfen, lassen sich hier die Charakteristika der toten Mutterfigur herausheben. Im Erfolgsfilm wie auch seinem Nachfolger wird sie als fürsorgliche, liebevolle Figur charakterisiert, die tragisch verstorben ist. Oftmals wird die Mutter aber auch gar nicht explizit erwähnt, geschweige denn näher charakterisiert. Grundsätzlich ist die Figur dennoch positiv konnotiert, im Gegensatz zur Stiefmutterfigur. Hierbei sei jedoch angemerkt, dass die Figur der Mutter trotzdem abwesend ist und meist wenig bis keinen Einfluss auf den Verlauf der Geschichte nimmt.

Der Mann des Hauses

 

Sollte die Mutter tot sein, wird diese Lücke in Disneyfilmen einfach vom männlichen Elternteil gefüllt. In Bambi taucht der stolze Vater auf, der Bambi in die Adoleszenz und die Selbstständigkeit begleitet. Der Vater selbst ist Anführer einer Hirschherde. Im Vergleich dazu sind Arielle und Jasmins Väter etwas distanziert, aber trotzdem besorgt um ihre Töchter. Einer ist König des Meeres, der andere Sultan.

Väter in Disneyfilmen sind also machtvoll, kümmern sich aber trotzdem um ihre Kinder. Grundsätzlich wird die Figur des Mannes in der Familie also als stark und erfolgreich, aber auch leicht distanziert eingestuft. Das steht im direkten Gegensatz zur Kälte und Destruktion der Stiefmutterfigur und der fürsorglichen Wärme der toten Mutter. Die tote Mutter ist lediglich eine Figur, die aus der Geschichte gelöscht wurde. Die Stiefmutterfigur zerstört das Wohlergehen der Kinder.

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Verändert das moderne Disney dessen Familienstrukturen?

 

Das moderne Disney ist sich seinen Missständen bewusst. Das zeigt beispielsweise dieser Ausschnitt aus „Ralph Reichts-Chaos im Netz“.

Die Disney-Prinzessinnen treffen auf die Protagonistin Vanellope und löchern sie mit Fragen. Ob sie wohl schon einmal entführt worden wäre, ist eine davon. Ob sie ihre Stimme verkauft hat, eine andere.

Besonders spannend ist die Frage, ob sie ebenfalls Probleme mit ihrem Vater hätte.
Der Dialog verläuft wie folgend:

Prinzessinnen: „Hast du Probleme mit deinem Vater?“
Vanellope: „Ich habe doch nicht mal eine Mutter!“
Prinzessinnen: „Wir auch nicht!“

Hier die Szene in voller Länge:

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In der Metaebene übt Disney in dem neuen Film also Kritik an den vergangenen Familienstereotypen aus. Tatsächlich gibt es schon einige moderne Beispiele, die aktiv das alte Schema brechen.

Im Film „Coco- Lebendiger als das Leben“ steht so zum Beispiel die Familie im Vordergrund. Figuren wie die Mutter und sogar die Großmutter bekommen emotionale Rollen, die für den Plot relevant sind.

Manchmal fällt Disney aber auch in alte Schemata zurück: So bleiben Anna und Elsa Waisenkinder und die Heldin aus „Rapunzel-Neu verföhnt“ wird immer noch von ihrer Stiefmutter heimgesucht.

Die Abbildung von altbackenen Familienstrukturen beginnt aber zu bröckeln. In einer Geschwindigkeit, die bei Disney eben üblich ist: Langsam, Stück für Stück.

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In der Serie “Unlearning patriarchy” verlernen wir uns beigebrachte Geschichte und lernen sie aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Das Schreiben einer gemeinsamen „We-Story” beginnt damit die alten Geschichten zu verlernen. Sanft, freundlich und vor allem mit dem Vorsatz wenig zu werten.

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