Article by Florentina Glüxam

Sexistische Werbespots: Warum die Werbebranche sensibilisiert werden muss

Stereotypen und Sexismus begleiten uns in der Werbung schon jahrzehntelang. Entgegen der Annahme, Hausfrauen-Waschmittelwerbespots würden längst der Vergangenheit angehören, halten sich diese auch heute noch hartnäckig in den Werbepausen. Von staubsaugenden Frauen über nackte Haut für Sprudelgetränke bis hin zu dem Mann als Alleinverdiener – wir zeigen euch in diesem Artikel einige Werbungen, die uns per Zeitreise in die 1950er transportieren.

Wir erinnern uns an einen altbewährten Klassiker: Das Kind spielt draußen im Garten und trägt dabei ein weißes T-Shirt. Ganz unerwartet wird es von einem in Schlamm getränkten Fußball getroffen. „Oh nein, wenn das Mama sieht!“ Aber Mama wird gar nicht böse. Lächelnd wartet sie im Einfamilienhaus und streckt ihre Arme freudig nach dem dreckigen Shirt aus. Denn Mama ist Hausfrau und hat offenbar jede Menge Zeit, um auf die Schmutzwäsche ihrer Kinder zu warten, so der Eindruck. Außerdem gibt es ja einen besonderen Fleckenentferner, der jeden hartnäckigen Fleck in Sekundenschnelle verschwinden lässt. Mama ist zwar schlau, aber bedarf dennoch der Erklärung eines großgewachsenen und muskulösen Waschmaschinenprofis. Staunend beobachtet sie die Wäsche in der Waschmaschine, während der Experte ihr den „Waschzaubertrick“ demonstriert. Der passende Begriff dafür wäre heute vermutlich „Mainsplaining“.

Diese und viele andere Werbungen haben sich in unserer Kindheit so in unser Gedächtnis eingebrannt, dass wir vielleicht sogar noch einige Werbesprüche auswendig können. Wir kennen die Handlung so gut wie jedes Kindermärchen.

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Die LG-Waschmaschine oder auch: Mutter-Tochter-Waschparty

Ein weiblicher Teenager tanzt mit einem gefüllten Wäschekorb zur neuen Waschmaschine, die Mutter wirft stolz ein Kleidungsstück in das energiesparende Haushaltsgerät. Der Fortschritt soll wohl sein, dass sich nicht mehr die Mutter, sondern die Tochter um die Wäsche kümmert. Außerdem sind beide Darstellerinnen ausnahmsweise nicht weiß. Die Gemeinsamkeit? Sie sind weiblich und erfüllen somit wieder das Hausfrauenklischee. Spannender wäre doch, würde eine Mutter ihrem Teenie-Sohn das Wäschewaschen beibringen und anschließend mit ihren Freundinnen feiern gehen.

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Sprachlos, weil sexistisch: Die Gröbi-Werbung

Eine Frau badet in einem See und spielt lasziv mit dem Wasser. Wir kennen das Szenario normalerweise aus Shampoo-Werbungen, aber diesmal soll ein Getränk in Szene gesetzt werden. Ein Mann pfeift im Hintergrund. Catcalling in der Werbung? Hier kommt der Plottwist: Es handelt sich zum Glück um ihren Ehemann, der seine Wertschätzung für ihren fit gebliebenen Körper pfeifend zum Ausdruck bringen will. Dem gemeinsamen Kind ist es sichtlich unangenehm. Verständlicherweise. Da „Gröbi“ keinen Zucker enthält und auch sonst nur aus Vitaminen besteht, konnte die Supermodel-Mutter so schlank bleiben. Ganz ohne Sport und gesunde Ernährung, eh klar. „Gröbi, alles was ich will!“ lautet der Werbespruch. Wenn man sich echt alles wünschen darf, dann wohl einen Werbespot, der dem Zeitgeist entspricht.

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Der Staubsauger: Vom Mann erfunden, von der Frau benutzt

Im Dyson-Werbespot wird ein neuer Staubsauger vorgestellt, dessen Funktionsweise von einer Männerhand skizziert wird. Technische Errungenschaften stammen selbstverständlich von Männern. Nur dann ist es möglich elektronischen Geräten auch zu vertrauen. Den Produkttest führt anschließend aber natürlich eine Frau durch, denn sie ist ja auch diejenige, die das Haushaltsgerät regelmäßig benutzen wird, nicht wahr?

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„Jederzeit streichbereit“ – Familienvater wird Opfer von Homeoffice

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Der erschöpfte Vater spaziert mit Hemd und Krawatte in die Küche und holt die „Schärdinger Primina“ aus dem Kühlschrank. Obwohl Mutter und Kind mit Hausaufgaben beschäftigt sind, findet die Darstellerin Zeit, ihrem Gatten ein Butterbrot zu streichen. Schließlich ist der Vater nach seinem harten Arbeitstag so streichfähig wie das Milchprodukt selbst. Diese Szene vermittelt das Bild einer liebenden und perfekten Mutter, die trotz Haushalt und Kindererziehung tiefenentspannt wirkt. Die Darbietung mag auf Rezipient:innen durchaus vertraut wirken. Aber nicht, weil es in jeder Familie tatsächlich so abläuft, sondern weil wir diese Form der Rollenverteilung in der Werbung schon gewohnt sind.

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Verbrennt die Köchin am Scheiterhaufen!

Das Marketingteam des bekannten österreichischen Möbelunternehmens „XXXLutz“ tüftelt regelmäßig an neuen Werbespots. Die Familie Putz gehört mittlerweile zu jedem Fernsehabend und ist kaum noch wegzudenken. Jedoch schlugen die Verantwortlichen bei „Preisritter“ wohlmöglich über die Stränge: Die kochende Hauptdarstellerin wird mehrfach als Hexe bezeichnet. „Verbrennt sie!“, schreit das Publikum wiederholt im Hintergrund. Letztendlich wird die „Hexe“ zum „Scheiterhaufen für alle“ verurteilt. Hier werden nicht nur Stereotypen aufgezeigt, sondern zugleich die Hexenverfolgung verharmlost, die einst auch vorwiegend ein Geschlecht betraf – nämlich Frauen.

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Sichtbarer Fortschritt, dennoch viel Luft nach oben

Wenn man Sexismen, Rassismen oder andere ethisch bedenkliche Narrative in Werbungen entdeckt, kann man diese an den Werberat melden. Im Vorjahr wurden über 400 Beschwerden eingereicht. Die meisten betrafen geschlechterdiskriminierende Werbung. Entscheidet der Werberat anhand des Sachverhalts, dass der Werbeinhalt sexistisch ist, müssen Unternehmen die beanstandete Werbemaßnahme zurückziehen. Dies betraf in der Vergangenheit schon etliche Werbetreibende. Allerdings fallen einige Werbespots in den Graubereich und können durch gute Begründung wieder legitimiert werden.

Fakt ist: Marketingbeauftragte werden durch regelmäßiges Feedback sensibilisiert. Es gibt mittlerweile durchaus positive Beispiele aus der Waschmittelbranche, wie uns etwa die Marke „Persil“ demonstriert: Ausnahmsweise kümmert sich der Vater um die Schmutzwäsche seines pubertierenden Sohnes. Die Mutter hingegen spielt nur eine nebensächliche Rolle.

Das Vermeiden stereotypischer Darstellung und Entwickeln neuer Ideen bringt wieder frischen Wind in das Marketing. Zuseher:innen werden gewissermaßen von der neuen Rollenverteilung überrascht, wodurch die Werbebotschaft womöglich sogar länger im Gedächtnis bleibt.

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In der Serie “Unlearning patriarchy” verlernen wir uns beigebrachte Geschichte und lernen sie aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Das Schreiben einer gemeinsamen „We-Story” beginnt damit die alten Geschichten zu verlernen. Sanft, freundlich und vor allem mit dem Vorsatz wenig zu werten.
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