Article by Marie Schneidereit

Eine Perle der Natur – 5 Bücher über die Klitoris

Wir sind so aufgeklärt wie nie zuvor, “sex positive” und haben im Alter von 14 wahrscheinlich bereits mehr nackte Körper gesehen, als die Generationen zuvor in ihrem ganzen Leben. Trotzdem gibt es ein Thema, das auch für uns noch immer ein Mysterium darstellt. Die Mumu, Muschi oder auch Liebeshöhle, bleibt bis heute im gesellschaftlichen Dialog weitestgehend unangetastet (pun intended). Das klingt vielleicht erst einmal befremdlich oder amüsant, hat aber weitreichende Folgen. Viele Mädchen und Frauen können ihre Genitalien nicht einmal korrekt benennen. Doch nur, wer den eigenen Körper versteht, kann seine Bedürfnisse benennen. Oder, um Autorin Peggy Orenstein zu zitieren “We’ve set young women up for silence. And in setting them up for silence, we’re also setting them up for abuse.⁣” Genau deshalb ist es wichtig, auch hier den offenen Dialog zu fördern und Scham abzubauen. Denn erst die Kommunikation macht es uns möglich, uns aus den patriarchalen Denkmustern zu befreien.

 

Wir sind daher auf Entdeckungstour gegangen und haben uns genau in das Thema der weiblichen Lust und ihrem Zentrum eingelesen.

Sie spielt im Patriarchat nur eine Nebenrolle: Die Klitoris. Eigentlich sollte es beim gemeinsamen Sex mindestens zwei Hauptdarsteller geben, meistens gehört jedoch nur einem das Rampenlicht.

Woran das liegt?

Über die weibliche Sexualität wird nicht gesprochen. Ob im Aufklärungsunterricht, in Pornos oder selbst im Medizinstudium – die Lust des Mannes steht im Vordergrund. Gerade junge Frauen und Männer glauben daher häufig, seine sexuelle Befriedigung sei wichtiger. Psychologin und Familientherapeutin Sandra Konrad beschreibt die Auswirkungen dessen in ihrem Buch “Das beherrschte Geschlecht. Warum sie will, was er will.” Vor allem junge Frauen willigen sexuellen Praktiken ein, die ihnen selbst keine Lust bringen, um ihren Partner zufrieden zu stellen. “Sexy zu sein, ist [ihnen] wichtiger als lustvoll zu sein”, meint die Psychologin.

Keine Expertise 

Bei Personen vom Fach bleibt die Frau ebenso auf der Strecke. So geht es vor allem um Geburten, Menstruation oder Verhütung, wenn bei Gynäkolog:innen über die Vagina gesprochen wird. Weibliche Lust ist auch hier maximal zweitrangig. Dabei ist die alleinige Aufgabe der Klitoris genau das, Lust zu empfinden. Sie ist das weibliche Äquivalent zum Penis, dabei aber mit 8.000 Nervenenden wesentlich empfindlicher als ihr männliches Gegenstück. Es könnte also sehr leicht sein, Frauen ihren Höhepunkt zu bescheren, wenn man(n) nur mehr darüber wüsste.

Unwissen mit Tradition

Unser heutiges Wissen über die Klitoris ist dabei eigentlich kein neues. Bereits 1844 illustrierte der deutsche Anatom Georg Ludwig Kobelt die Klitoris samt ihrer Funktionen. Das Ende des 19. Jahrhunderts brachte allerdings eine zunehmende Tabuisierung weiblicher Sexualität und damit ein allgemeines Schweigen zu weiblichen Genitalien. Das biologische Geschlecht wurde als Begründung für alle möglichen Zuschreibungen weiblicher Wesenszüge wie Häuslichkeit, Mütterlichkeit oder eben auch Prüderie und Enthaltsamkeit hergenommen. Frauen wollten keinen Sex, sie hatten ihn, um den Mann zu befriedigen. Dieser Grundgedanke hat sich bis heute durchgesetzt.

Höchste Zeit, dass damit Schluss ist. Diese Bücher bringen Licht ins Dunkel und beschreiben neben der Klitoris auch die Schönheit unserer Sexualität:

Clit – Die aufregende Geschichte der Klitoris | Louisa Lorenz
(Hier geht’s zum Buch)

Autorin Louisa Lorenz gibt schon länger Workshops rund ums Thema Sexualität. Auch als Erwachsene haben wir noch einiges über unseren Körper und den unserer Partner:innen zu lernen, meint die Geschlechterforscherin. Zum Weltfrauentag 2022 veröffentlichte Louisa nun ihr Buch “Clit”. Dabei geht sie nicht nur der weiblichen Anatomie auf den Grund, sondern auch wichtigen Fragen nach Geschlechtsidentitäten, dem Einfluss der Gesellschaft auf die Sexualität und beschreibt, wie und wann Frauen Lust empfinden.

 

Lustbewusst – Gute Frauen kommen in den Himmel, sich selbst liebende Frauen kommen | Simone Hotz
(Hier geht’s zum Buch)

“Dumm fickt gut”. Eine Floskel, die vor allem die Entfremdung von uns selbst widerspiegelt, meint Simone Hotz. Wie sehr Wissen über den eigenen Körper und das Lustempfinden miteinander verknüpft sind, erklärt die Sexualpädagogin in ihrem Buch “Lustbewusst”. Hauptdarstellerin hier: Die Klitoris (yey!). Fazit: Je besser wir über unseren Körper Bescheid wissen, desto besser ist auch der Sex.

“V” – Alles über das weibliche Geschlecht | Josefine Britz & Iris Schmitt
(Hier geht’s zum Buch)

Das Mumu-Tabu – die Autorinnen Josefine Britz und Iris Schmitt schreiben unverblümt über die weibliche Sexualität. Sie wollen aufklären und mit den, meist von Männern geschaffenen, Vorurteilen und Tabus ein für allemal aufräumen. Wieso können wir unser Geschlecht nicht beim Namen nennen, wieso schämen wir uns sogar dafür? Und wie sehen wir da unten eigentlich aus?

Vulva & Klitoris Malbücher | z.B. von Chelsea Frankhauser
(Hier geht’s zum Buch)

Um auf Tuchfühlung mit Vulva, Klitoris & Co. zu gehen, eignen sich Malbücher wirklich perfekt. Etwas mehr Gag als (bloße) Wissenschaft und damit ein guter Weg, um Scham abzubauen und die Vielfalt der Vulven kennenzulernen.

Negierte Lust. Die Klitoris denken | Catherine Malabou
(Hier geht’s zum Buch)

Was haben die Klitoris und Anarchie gemeinsam? Catherine Malabou hat die Antwort. Wer philosophisch und historisch in das Thema eintauchen möchte, sollte unbedingt zu “Negierte Lust” greifen.

Auf 120 Seiten diskutiert Malabou unser heutiges Denken von Geschlecht, Lust, Kultur und Identität anhand seiner Entstehungsgeschichte, gibt Einblicke in Mythen und Feminismus und nicht zuletzt die Klitoris. Ein spannendes Essay, das aufklärt und neue Perspektiven weckt.

Für alle, die lieber in kompakten 3 Minuten ihr Wissen auffrischen wollen, können wir außerdem dieses Video empfehlen:

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In der Serie “Unlearning patriarchy” verlernen wir uns beigebrachte Geschichte und lernen sie aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Das Schreiben einer gemeinsamen „We-Story” beginnt damit die alten Geschichten zu verlernen. Sanft, freundlich und vor allem mit dem Vorsatz wenig zu werten.

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