Article by Juno Moneta

Sei sexy, sei nicht sexy, sei still! Die Geburtsstunde von Thewildgoldenegg

Warum die Geburtsstunde von Thewildgoldenegg zusammenfällt mit dem Punkt, als wir das Patriarchat erforschen wollten, erklären Uma und Nives im heutigen Interview. Die beiden gehen auf die Suche nach dem Ursprung der verschiedenen Mythen, die einhergehen mit der Dämonisierung der Frau. Nives spannt den Bogen bis ins Jetzt und erzählt sehr Persönliches aus ihrem Leben. Sie kommt aus einer Migrantenfamilie, in der viel gearbeitet wurde. Der Vater war, ganz klassisch, viel im Büro und wenig zu Hause. Die Mutter musste die Care Arbeit erledigen und bekam nie Wertschätzung. Unterdrückung des Weiblichen war ganz normal.

 

“Sei sexy und sei still.”

 

Uma kennt die Traumatisierung durch patriarchale Beziehungsmuster und Misogynie ebenso und gemeinsam versuchen sie die Geschichten zu sezieren, um Neues zu entwickeln.

 

“Das Patriarchat hat kein Geschlecht. Es geht nicht um Schuld und die bösen Männer. Frauen sind auch Stützerinnen dieses Systems.”

 

Der gute Ausblick ist, dass wir alle das System mitkreieren und alte Muster verändern können.

 

Gently and kind, unlearnig patriarchy.

Uma: Wir sind heute da, um das Patriarchat zu dekonstruieren. Einmal zu schauen, was ist das eigentlich, wie ist das entstanden, in welchem System bewegen wir uns eigentlich? Aber zuerst möchte ich dich mal fragen: Wenn wir uns jetzt irgendwo treffen und ich frage dich: Was machst du eigentlich so? Wo treffe ich dich und was sagst du mir?

Nives: Derzeit würdest du mich wahrscheinlich irgendwo draußen treffen, in Wien sitzend, in der Sonne, die Menschen beobachtend. Ich reflektiere viel über die Qualität der Zeit, über diesen Punkt, wo wir gerade stehen, als Menschen, in diesem Bewusstseins-Verhandel. Und ja, was ich mache, sind verschiedenste Dinge. Ich komme eigentlich aus der Sozial- und Kulturanthropologie, habe studiert in Wien und Mexiko. Und dann hat sich das weiterentwickelt ins Ayurveda und ins Yoga. Ich bin immer viel gereist und war eben einfach sehr damit beschäftigt, zu verstehen, wie Mensch funktioniert, wie Gesellschaft funktioniert und Kultur funktioniert. Den Beitrag, den ich in eine Kulturentwicklung gebe, ist durch meine Bücher, durch mein Schreiben, durch mein Yoga, das ich weitergebe. Ich arbeite einfach, das hat sich so entwickelt, ganz stark mit Frauen und eben der Bewusstseinsentwicklung darüber, was es bedeutet, Frau zu sein, auch in Beziehung zum Männlichen, und was da auch geheilt werden darf aus dem Kollektiv.

Uma: Da sind wir jetzt eigentlich schon beim Thema. Du warst bei der Geburtsstunde von TheWildGoldenEgg dabei, als wir uns gefragt haben: Was wollen wir eigentlich? Was bedeutet das? Wir haben unbewusst etwas erkannt in dem Logo. Wir haben eigentlich selber nicht ganz gewusst, was da auf die Welt kommen will, was da in dem Ei drinnen ist. Drauf gekommen sind wir dann alle miteinander, dass so ziemlich alle in dieser Runde missbraucht, geschlagen, Opfer in irgendeiner Form waren, erschöpft von einem System, das wir eigentlich dann als Patriarchat benannt haben. Man hört das ja immer wieder, so Patriarchat, aber im Endeffekt haben wir auch nicht so genau gewusst, was ist das eigentlich, dieses Patriarchat. Wir wurden als Frauen sozialisiert in diesem System. Wir sind aufgewachsen in den 70ern, 80ern. Ich glaube 1997 wurde überhaupt erst die Gewalt in der Ehe, durch die damalige Frauenministerin, irgendwie geahndet, vorher war das normal. Und deshalb wollen wir uns einmal anschauen, bevor wir da in die Tiefe zu unseren Geschichten gehen, warum leben wir eigentlich in diesem Patriachat und welche Geschichten erzählen wir uns, und welche glauben wir uns auch? Das heißt, wir fangen wirklich bei Adam und Eva an, der mächtigste Mythos der Menschheit, prägt uns seit Jahrhunderten. Also diese Vorstellung von Ursprung und Schicksal der Menschheit, das heißt, die Eva ist schuld, dass wir eigentlich alle aus dem Paradies vertrieben wurden. Als Hauptschuldige vor Eva ist eben die Schlange. Die Bibel hat eigentlich den Teufel und die Schlange gleichgesetzt und in den älteren Lesearten steht die Schlange für die weibliche Gottheit. Das Wort Teufel oder Deibel, ebenso wie der italienische Diavolo oder der Englische Devil, stammt eigentlich aus der Sanskritwurzel „devi“ und Göttin. Inwieweit hat uns dieser Mythos, uns Frauen, die in den 80ern, 90ern aufgewachsen sind, geprägt, dass wir schuld sind, dass wir sündig sind, dass wir böse sind. Inwieweit hat sich das in deinem Leben gezeigt?

Nives: Ich glaube, ich muss da ein bisschen ausholen, weil wenn wir das jetzt gesamtgesellschaftlich und kulturell, jetzt speziell in Europa, betrachten, mit der katholischen Kirche und ihrer Macht, die sie hier und auf der ganzen Welt hatte, dann ist ja dieser Mythos quasi eine Legitimierung, das weibliche unter das männliche Prinzip zu stellen. Ich glaube, da sind beide ein Opfer davon, sowohl Mann als auch Frau, weil auch Männer natürlich in diesem System groß werden und bestimmte Rollen erfüllen, die jetzt vielleicht ursprünglich gar nicht für sie gedacht waren, die sie aber erfüllen müssen. Und das große Problem das der Mythos hervorruft, ist diese Verstrickung von Scham und Schuld.

Uma: Und die Dämonisierung, auch.

Nives Und die Dämonisierung der Frau. Die Schlange, speziell ist die Kundalini Shakti, also die Kraft in uns, die uns in unser Potenzial bringt, und der Apfel ist ein Fruchtbarkeitssymbol, ein ganz ein altes. Das heißt, was ist da passiert? Jetzt gesamtgesellschaftlich betrachtet: Die Urkraft wurde uns genommen, die weiblicher Natur ist, sowohl im Mann als auch in der Frau, und damit wurde ein Nährboden gelegt für: Du musst einen Gott im Außen anbeten, der dich entweder befreit oder dich verdammt, und bist eigentlich abgeschnitten von deiner eigenen Göttlichkeit.

Uma: Also, vom Weiblichen, von dieser weiblichen Urkraft.

Nives: Die Schlange, also Shakti, kommt zum Beispiel aus diesen Urkulturen. Da gibt es das Bewusstsein, das ist männlich gepolt, wenn wir das jetzt in diese Begriffe hineinstecken wollen, und die Bewegung, die sich aus dem Bewusstsein weiterentwickelt, ist weiblicher Kultur. Man kann also sagen, dass alles, was da geschöpft ist, diese Shakti-Kraft, also diese Schlangenkraft in sich trägt, und das männliche Pendant ist das Bewusstsein. Also, wie die Idee, die wir haben und dann die Manifestation.

Uma: Okay, ich glaube, das ist jetzt für manche, die sich da noch nicht so beschäftigt haben, vielleicht auch zu viel, (…) aber was wir herausgefunden haben in den ganzen Recherchen, und in der Auseinandersetzung und auch mit dem, dass jetzt in Österreich schon die 30. Frau umgebracht wurde dieses Jahr und jetzt alle plötzlich sagen: Okay, wir müssen etwas tun. Wir müssen halt zu den Ursprüngen zurück und die sagen uns eben, die Frauen wurden ihrer Tradition beraubt. Sie wurden eigentlich in Europa vollständig in der Inquisition ausgerottet. Heute stehen Bischöfe in Kleidern vor uns, haben die Mitra, die Gebärmutter, griechisch, am Kopf und verteilen die heiligen Sakramente. Und wir Frauen sitzen ja im Endeffekt auch in der Kirche, also wir jetzt nicht, aber viele, und beten und nehmen das zur Kenntnis und es wirkt tief in uns. Und daher ist es, glaube ich, so wichtig, dass wir das besprechen. In der Verkündungsszene, da sagt sie: “Ich bin die Magd des Herren, mir geschehe, wie du es gesagt hast.” Diese Urgeschichte, dieser Mythos, wo mein Opa eben heute zu mir noch sagt, ja, die Eva ist aus der Rippe Adams erschaffen. Der Mythos ist in uns gespeichert, in jeder Zelle, und jede Frau, die da ausbricht, wird dämonisiert. Und deshalb frage ich dich jetzt gleich: Wann hast du aufgehört, die Magd des Herren zu sein?

Nives: Sehr früh schon. Also, ich war immer schon sehr rebellisch. Ich habe das einfach schon immer in mir getragen, weil ich gespürt habe, dass vieles, in dem ich aufgewachsen bin, nicht so ganz meinem innersten Wesen entspricht.

Uma: Wie bist du aufgewachsen?

Nives: Ja, in einer Migratenfamilie in Wien der 70er Jahre. Meine Eltern haben sich sehr bemüht, hier Fuß zu fassen und viel gearbeitet. Die Mutter, die alles selbst tut und gleichzeitig aber dafür nicht unbedingt Dankbarkeit bekommt, sondern eher Unterdrückung und keine Wertschätzung.

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Uma: Wie war das für dich?

Nives: Ich habe es nie wirklich verstanden, wieso sie sich nicht auflehnt. Ich habe meiner Mutter schon mit fünf gesagt, sie soll sich scheiden lassen, weil ich einfach gespürt habe, dass das kein gesundes Verhältnis zwischen männlich und weiblich ist. So ein bisschen habe ich die Rolle ihrer Beschützerin übernommen und musste einfach emotional Dinge tragen in einem Alter, die jetzt nicht so unbedingt kindheitstauglich sind. Das heißt, ich glaube generell, dass wir alle aufgrund dieser patriarchalen Beziehungsverhältnisse traumatisiert sind. Und wir haben jetzt in dieser Generation und auch an diesem Punkt in der Menschheitsentwicklung als Frauen die Möglichkeit, mit all dem, was uns da geboten wird als Werkzeuge, damit zu arbeiten. Wirklich auszusteigen und diese alten Muster aus unseren Körpern zu erlösen. Es prägt die Zelle, die Körpererinnerung und das Gehirn in einer bestimmten Weise. Und da bin ich voll dahinter, schon seit vielen Jahren, und versuche einfach, für meine Ahninnen den nächsten Schritt zu gehen. Weil das, was wir sehen, ist, dass vor allem die Beziehungen zwischen männlich und weiblich weit weg davon sind, wirklich gut und erfüllt zu sein.

Uma: Auf jeden Fall! Ich bin auch aufgewachsen, mit einem Vater, der verbal und körperlich gewalttätig war, meiner Mutter und mir gegenüber. Und ich glaube, dass das wirklich viele erlebt haben. Jede dritte Frau weltweit ist Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt. Ich war jetzt gerade wieder auf einem Seminar, da waren ungefähr 85% der Frauen irgendwie Opfer von Missbrauch. Aber es ist noch so, dass das sehr viel mit Scham behaftet ist, dass man nicht darüber spricht. Das Geschehene bleibt unterschwellig. Eigentlich bleibt man mit dem ganzen alleine. Frauen sind da auch nicht unbedingt eine Unterstützung sich gegenseitig. Warum ist das eigentlich so? Weil, das Patriachat hat kein Geschlecht. Das ist einmal, glaub’ ich, ganz wichtig. An alle Männer die zuhören: Es geht da nicht um Schuld und irgendwie die bösen Männer und die armen Frauen und diese Opfer-Täter Dynamik, sondern, Frauen sind ja auch sehr große Stützerinnen dieses Systems. Wie erlebst du das?

Nives: Wenn wir uns anschauen, jetzt speziell in der Frauenwelt, welche Werte da gerade gesellschaftlich relevant sind, ist: Wie schaue ich aus? Wo knacke ich den besten Mann, der am meisten Geld verdient und quasi die Papi-Rolle ablöst? Schönheitsops… mega hoch im Trend. Dann auch dieses ganze hinter dem Rücken reden und die andere schlecht machen, Konkurrenz. Wie Frauen mit ihrer Fruchtbarkeit umgehen, um auch hier die Pille vielleicht zu erwähnen. Also, wie generell mit den Hormonen- da geht es ja auch wieder um den weiblichen Körper. Wie wird mit dem weiblichen Körper umgegangen immer noch?

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Uma: Und warum ist das so? Diese absolute Fixierung auf Schönheit und Bulimie, all diese Facetten, die es da gibt, eigentlich, dass da dahintersteckt, wieder dieser absolute Selbsthass, der unaufgedeckt in dieser Welt liegt, in der es scheinbar keinen Ausweg gibt, aus diesem System.

Nives: Woher das kommt, ist natürlich super alt. Wir können auf den Mythos zurückgehen oder einfach nur auf die Geschichte, wo in den letzten zweitausend Jahren das Weibliche in Form von Frau, aber auch das Weibliche, was ist denn weiblich? (…) Die Frau hat mindestens 12 verschiedene Seiten in sich. Wenn wir uns in der Natur zum Beispiel anschauen, das ist für mich der Inbegriff der Weiblichkeit, und die ist nicht immer lieb, süß und nett. Gerade im Winter oder wenn es Vulkanausbrüche gibt, kann die Natur sogar ein bisschen störrisch, anders und aufmüpfig sein. Und diese unangenehmen Seiten von Weiblichkeit wurden dämonisiert. Dämonisiert, nicht akzeptiert. Es gibt ja auch zur Eva die Lilith, und das hat dazu geführt, dass wir Menschen zum Weiblichen eine ungesunde Beziehung bekommen haben, sowohl Mann als auch Frau, und das zu diesen Auswüchsen geführt hat, wie wir sie heute kennen. Auch in Bezug auf die Sexualität, wie Sexualität gelebt wird ist pathologisch. Heutzutage, in diesen ganzen Formen, wie wir es kennen, weil einfach diese Verbindung zu einer gesunden, weiblichen Kraft fehlt.

Uma: Es ist halt schade, dass scheinbar jede Generation von Frau, das ganze neu aufrollen muss, weil dahinter eine ganz starke Kraft steht, die irrsinnig schwer zu durchbrechen ist. Es gibt ja mittlerweile auch diesen Begriff, Misogynie, als sozialpolitisches Phänomen. Das heißt, Frauen sind im Umgang mit der sozialen Welt immer mit feindseligen Reaktionen konfrontiert, wenn sie patriarchale Normen in Frage stellen. Was ich schon alles gehört habe. Meine Mutter hat mir mit 15 Jahren das Buch geschenkt: „Exorzismus der Anneliese-Michel“, da habe ich schon mit 15 geglaubt, ich bin vom Teufel besessen. Jede Frau, die sich quasi nicht einfügt in diese Rolle und alle meine Freundinnen und viele Frauen, die ich kenne, haben dann in der Pubertät rebelliert, weil diese Kraft dann raus muss, werden dann dämonisiert. Früher hat man gesagt, es ist der Teufel, heute hörst du: Na, was bist du denn für eine Feministin? Es ist mittlerweile ein Stigma zu sagen, man ist Feministin. Bist du die Alice Schwarzer? Weil dahinter das System einfach extrem wirkt, den Männern auch etwas verspricht, dazu kommen wir später, also sozusagen, wenn Frauen sich verweigern, nett zu sein, ist der Preis ja hoch. Der Preis ist, du wirst aus dem System ausgeschlossen, du wirst dämonisiert und deshalb interessiert mich auch, bist du auch dämonisiert und ausgeschlossen worden aus dem System?

Nives: Ja, bestimmt, immer wieder. Also ich komme immer wieder in so Momente, wo ich einfach merke, das ist viel, das ist zu echt, das ist zu wahr, das ist zu kraftvoll. Ich habe das zum Beispiel ganz stark erlebt, wie ich in meiner Ex-Beziehung, diejenige war, die die Affären hatte, und nicht er. Ich bin immer dazu gestanden und das war für viele in meinem Freundeskreis ein Superthema. Ich bin quasi die Hure. Wir sehen die Realität zu 90% aus unserem Unterbewusstsein heraus. Das heißt, wenn wir uns selbst diese Muster nicht durchleuchten, spielen wir halt mit. Jede Frau, die da rausgeht, ist dann die Lilith, die man halt dämonisieren muss und nicht die Eva. Und das ist immer noch so. Das Frauenbild, das wir immer noch bekommen heutzutage, ist sei sexy –

Uma: Sexy, sei nicht sexy, sei still.

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Nives: Genau, sei sexy und still.

Uma: Sei still und sei sexy. Ich glaube, dass diese fehlende Unterstützung von Frauen, und da kommen wir glaube ich auch zum wichtigen Punkt, eben diese Opferrolle. Ich kenne Frauen, und ich habe das auch jahrelang gemacht, meine Mutter hat das schon gemacht, meine Oma hat das schon gemacht, sich als Opfer zu fühlen, den Täter im Mann zu suchen und man endet dann, indem man die nächsten dreißig Jahre sich mit den Freundinnen erzählt, was er für ein Trottel ist oder wie böse er nicht war, und ist immer in dieser Opferrolle. Im Endeffekt steckt aber dahinter eine Co-Abhängigkeit, die daraus resultiert, dass die Frau nicht an sich selbst glaubt, weil sie wiederum Angst hat, wenn sie aus dem System rausgeht, wird sie dämonisiert und ausgeschlossen. Das ist irgendwie so ein Teufelskreislauf. Die einzige Wahl, die man hat, ist eben zu jammern, kollektiv zu jammern, zu saufen, wie auch immer. Da gibt es ja nicht viel Spielraum. Wenn du dann rausgehst, wirst du eben dämonisiert. Es ist ganz schwierig, deshalb auch unser Mitgefühl mit uns und allem im System, weil die Ehe auch ein Konzept ist, das wir hinterfragen sollten. Viele von uns befinden sich in so toxischen Beziehungsmustern, die dann aber doch irgendwie darauf zurückgehen, dass die Frau nicht in ihre Kraft geht, den Mann dafür verantwortlich macht, der Mann dann wieder den Zorn auf sie kriegt, den er vielleicht auf seine Mutter haben sollte, und dann sitzen wir ein paar Jahre in Paartherapie, trinken viel Wein, damit wir das alles ertragen, und dann sterben wir und die nächste Generation ist dann wieder dran.

Uma: Wie können wir aber wirklich, weil das ist ja auch das Anliegen von The Wild Golden Egg, nicht im Kampf, sondern in einer Art der Verbindung uns das Ganze einmal anschauen und einfach Schritte daraus machen? Wo müssen wir da ansetzen aus deiner Sicht?

Nives: Also aus meiner Sicht ganz wichtig ist, dass man diesen Moment erkennt, wann man einfach zu leiden beginnt, mit diesen ganzen weiblichen Themen und auch in Beziehungen und wo man einfach als Frau spürt: Okay, irgendwie bin ich da, es ist nicht erfüllt. Und dann beginnt die Reise der Selbstheilung und da ist halt wichtig, dass man sich auf jeden Fall anschaut: Die Beziehung zwischen den eigenen Eltern. Dass man da wirklich zurückgeht und sich erinnert: Was für ein Beziehungsmodell habe ich denn da vorgelebt bekommen? Dann die Ahnen, auch zu wissen: Was haben denn die Frauen vor mit gelebt und erlebt, um das quasi auch aus dem Zellbewusstsein rauszulösen. Schönheit ist auch so ein großes Thema. Was bringt mir äußere Schönheit, wenn ich nicht wirklich mit mir selbst als Frau verbunden bin, mit meiner Gebärmutter, mit meinen Eierstöcken, das ist zum Beispiel etwas, dass ich mache und auch weitergebe, dass wir als Frauen im Körper sind und mit diesem Körper einfach leben lernen. Ganz wichtig ist auch die eigene Wahrheit und rauszukommen aus diesem „Ich brauche einen Mann, der mich beschützt“, auch das ist ein patriarchales Programm. Natürlich sind die Männer stärker körperlich, aber wenn wir jetzt wirklich sagen: Okay, wie kommen wir in eine Gleichheit? Ist, dass wir erkennen, ich habe alle Anteile in mir selbst, und ich muss auch fähig sein, egal, ob ein Mann da ist oder nicht. Ein Partner oder nicht. Wie kann ich alleine in mir die Ressourcen aktivieren, um alleine auch durchs Leben gehen zu können.

Uma: Das ist sehr schwierig, weil eben die wirtschaftliche Macht letztendlich wieder bei den Männern liegt und viele Frauen dann auch wahrscheinlich keine Perspektive haben, wie sie wirtschaftlich überleben sollen. Aber worauf ich noch hinaus will ist, wir beide sind aufgewachsen mit Vätern, die sehr patriarchal waren und Frauen abgewertet haben und bei manchen geht es soweit, dass Männer ihre Familie auslöschen, und das sind ja auch immer mehr, auch die meisten selbst missbraucht worden als Kinder. Gedemütigt, geschlagen, also auch Opfer des Systems.

Nives: Wenn ich jetzt Männer hernehme, die mit dem Weiblichem, oder Männer, die ein Problem haben mit der Stärke einer Frau, zum Beispiel, haben die in Wirklichkeit ein Problem mit ihrer eigenen Stärke und haben oft eine starke Mutter gehabt, mit der sie noch immer ein unaufgelöstes Thema haben. Drum sage ich, es ist schon wichtig, ohne, dass wir jetzt 10 Jahre in der Psychotherapie bleiben, aber es ist wichtig, uns bewusst zu machen, wie war, also für die Männer, wo, in welcher Gebärmutter bin ich denn geschöpft worden? Wie war diese Frau?

Uma: Viele Männer, die da jetzt nicht in diesem Kreis sind, sagen noch immer: Naja, zum Psychiater gehen quasi eh nur die Frauen, die haben eh alle einen Knall, weil die haben ihre Hormone nicht im Griff…

Nives: In New York hat jeder einen Psychiater, also mittlerweile…

Uma: Ja, aber in Österreich ist es schon auch so, dass viele Männer das ablehnen. Also bis die mal da hinkommen, sich zu Fragen, in welcher Gebärmutter bin ich groß geworden, ich glaube, da brauchen wir noch ein paar Jahre. Also, das heißt für mich, dass eigentlich wir Frauen auch in dieser Verantwortung jetzt sind.

Nives: Ja, für uns selbst. Ich glaube einfach, dass jeder gerade mit sich selbst einfach in die Authentizität und Wahrheit kommen darf. Was lebe ich für ein Leben, was lebe ich für eine Beziehung? Findet die wirklich auf Augenhöhe statt oder sind da Co-Abhängigkeiten? Wie lebe ich meine Sexualität? Lebe ich die überhaupt als Frau? Bin ich überhaupt orgasmusfähig und habe ich überhaupt einen Bezug zu meinem Körper? Oder lasse ich es über mich ergehen? Da sind wir wieder beim Adam und Eva Thema.

Uma: Ich höre andauernd: Du, einmal die Woche, weißt eh, musst schon, weil sonst sucht er sich eine andere.

Nives: Genau. Sexualität ist etwas, was ich erlebe als Befriedigung des Männlichen. Es sind so viele Themen, die man sich anschauen darf, in der eigenen Weiblichkeit. Und es geht nicht darum, dass wir Frauen da jetzt vorangehen. Jeder, der heil werden möchte in dieser Gesellschaft, muss sich das mit sich selber anschauen. Und das ist halt etwas super Individuelles und man kann das nur für sich entscheiden. Das braucht einfach auch Mut.

Uma: Es braucht Mut, es gibt ja jetzt auch ganz viele Bücher, die rauskommen, „Die Erschöpfung der Frau“, „Female Choice“, also das scheint ja wirklich jetzt irgendwie auf der Agenda zu sein, dass wir uns damit beschäftigen. Die angestrengte, gestresste Frau zwischen Selbsthass und Narzissmus ist so ein bisschen das Lebensgefühl von vielen Frauen, die aber wieder eigentlich sich untereinander, also dieses Sisterhood, diese Unterstützung, nicht wirklich geben. Warum?

Nives: Weil das Konkurrenzdenken zwischen Frauen über viele Jahrhunderte ganz stark implementiert wurde. Das Ziel deiner Familie war es, wenn du aus ärmlicheren Verhältnissen gekommen bist oder aus der Mittelschicht, dass du dir jemanden reichen angelst. Und wer hat diese Competition gewonnen? Die Schönste. Die Schönste hat den Mann bekommen. Das heißt, Frauen haben eine Tendenz dazu, sehr im Neid und der Eifersucht zu sein.

Uma: Ja, weil es keine anderen Möglichkeiten auch gab?

Nives: Weil es keine anderen Möglichkeiten gab und richtige Sisterhood kann für mich nur funktionieren, so wie alles eigentlich, wenn man nicht mehr in Co-Abhängigkeiten ist. Wir wollen alle dasselbe sein und haben einfach vergessen, dass wir unterschiedliche Menschen sind. Und wir sagen im Yoga, du musst dein Dharma finden. Du musst wissen, wer bist du und was machst du hier? Und wieso bist du hier? Und wenn man das gefunden hat, das hat ganz viel zu tun mit einer starken Persönlichkeitsentwicklung, dann gehen diese ganzen Dinge von Neid, Eifersucht und Competition auch weg.

Uma: Warum?

Nives: Weil du einfach erkennst, mich gibt es nur einmal, ich bin individuell.

Uma: Und wenn eine schöner ist als ich, dann?

Nives: Schöner ist halt die Frage, was ist denn schön überhaupt? Viele Frauen sind außen schön und dann redest du mit ihnen zwei Sätze, und dann merkst du, ja? Das ist auf jeden Fall etwas, wo wir einfach noch einen großen Heilungsweg vor uns haben. Und da muss einfach diese ganze Mediengeschichte auch aufhören.

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“Jede Frau folgt ja dann wieder diesem unbewussten Mythos der Lilith (…) Die Dämonisierung, die Hexe, die Böse.”

Uma: Was muss aufhören in den Medien?

Nives: Diese eintönigen Bilder von Weiblichkeit, nämlich diese dicken roten Lippen, lange Beine, große Brüste. Ich meine, Schönheitsoperationen waren noch nie so hoch wie jetzt.

Uma: Und auch diese Framings, wie Frauen dargestellt werden. Also die Dämonisierung der Frauen, das zieht sich sozusagen auch durch, ob Britney Spears, Paris Hilton, Courtney Love, da gibt es ja die super Standard-Serie „Geradegerückt“. Jede Frau folgt dann wieder diesem unbewussten Mythos der Lilith, sag ich jetzt einmal, wenn wir mit der arbeiten wollen. Die Dämonisierung, die Hexe, die Böse. Es ist immer der Mann geschützt im patriarchalen System, also der Preis ist natürlich auch für ihn hoch und die Frau dämonisiert. Und das vom Kollektiv, das halt auch von den anderen Frauen. Und das ist glaube ich das Problem, dass wir wirklich rauskommen. Das heißt, eigentlich muss jede Frau, das ist meine Meinung, das kann auch ganz anders sein, wirklich den Mut haben und sagen: Gut, ich zieh das jetzt alleine durch und ich kann auch alleine sein, und ich brauche jetzt quasi, weil ich bin mir selbst genug. Weil den Rückhalt des Systems, das ist schwierig, oder?

Nives: Genau. Was wir jetzt auch erleben, Frauen, die Mütter werden haben es schwierig. Darauf müssen wir jetzt gar nicht so genau eingehen. Es gibt vielleicht eine interessante Anekdote zu dem, was du mit der Dämonisierung gesagt hast. In der Phase der Pubertät für Mädchen, wenn sie merken, ich will eigentlich dieses Frauenbild, das mir meine Mutter vorgelebt hat, nicht leben. Da gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder, man passt sich an. Man nennt das dann die Reise in die weibliche Kraft. Man passt sich an und dann macht man genau dasselbe, was die Mutter gemacht hat, hinterfragt das überhaupt nicht. Das ist halt der einfachere Weg. Viele Frauen gehen aber in die Rebellin und gehen dann in die Drogensucht oder whatever, halt eher den härteren Weg.

Uma: Wirklich? Viele Frauen?

Nives: Ja, wenige. Was da passiert, ist, dass man so wirklich in tiefe Abgründe kommt, also in tiefe, eigene psychische Schichten, und beginnt, diese Schichten aufzulösen. Das heißt, solche Frauen wie Britney Spears und Paris Hilton und die, die wir alle kennen, haben das gemacht, und zeigen dann den anderen, dass es oft eine dunkle Nacht der Seele braucht, um zu erwachen.

Uma: Aber im Image Öffentlichkeit sind sie alle Schlampen, Huren.

Nives: Ja klar, weil das einfach nicht passt in das kleine Korsett Mädchen.

Uma: Da will ja keine leben damit, mit dem Image.

Nives: Naja, anscheinend schon.

Uma: Immer mehr?

Nives: Du meinst, mit dem Image der Prostituierten?

Uma: Der Hure, der…

Nives: Ja, man muss sehr mutig sein dafür. Und auch, wenn man am Scheiterhaufen steht, sagen, was die eigene Wahrheit ist. Und ich glaube, nicht alle sind Alphatiere und Leaderinnen, das muss man sagen. Also die, die sich so in der Öffentlichkeit hinstellen und ihre Wahrheit leben, brauchen eine ganz große Portion Mut und den Glauben an sich selbst.

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Uma:  Weil wir in Österreich immer davon sprechen, was passiert in Afghanistan und die Frauen… Ich glaube, das passiert einfach weltweit, also wir brauchen uns da weder ausnehmen, gerade in Österreich, wo alles eh so in unbewussten Gewässern herumschwimmt.

Nives: Österreich ist übrigens das Land in Europa, das die höchste Prozentzahl an konservativen Ehebeziehungen hat, also an traditionellen Beziehungen, wo die Frau freiwillig sagt, ich möchte zuhause bleiben nach den Kindern, ob das jetzt bewusst oder unbewusst ist. Hier in Österreich leben 80% der Menschen, die verheiratet sind, in diesen traditionellen, katholisch geprägten Formen von Ehe.

“Hier in Österreich leben 80% der Menschen, die verheiratet sind, in diesen traditionellen, katholisch geprägten Formen von Ehe.”

 

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Uma und Nives unterhalten sich weiter, denn es eröffnen sich noch weitere Themenkreise. Wenn du wissen willst, ob es gut ist, wenn die Frau zu Hause bleibt und welche Konsequenzen es für Umas Urli hatte, dreimal verheiratet gewesen zu sein, dann lies den Artikel “Hysterisch, esoterisch oder sind wir alle nur traumatisiert?”

In der Serie “Unlearning patriarchy” verlernen wir uns beigebrachte Geschichte und lernen sie aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Das Schreiben einer gemeinsamen „We-Story” beginnt damit die alten Geschichten zu verlernen. Sanft, freundlich und vor allem mit dem Vorsatz wenig zu werten.

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