Article by Florentina Glüxam

Weder weiblich noch männlich: Was steckt hinter Nonbinarität?

Tino ist ein gewöhnlicher Teenager, der unter anderem gerne musiziert, malt und klettern geht. Die einzige Besonderheit: Tino ist non-binär. Ein Begriff, der für viele Menschen nach wie vor ein großes Rätsel darstellt. Tino kennt die vorherrschenden Irrtümer und erklärt aus ihrer* Sicht, was wirklich unter „Nichtbinarität“ zu verstehen ist.

 

 

Männlich, weiblich, Genderqueer. Die Art und Weise wie wir Geschlecht definieren, hat sich über die letzten Jahrzehnte verändert. Für Personen, die sich nicht in unserem traditionellen Geschlechtersystem verorten, wurde der Überbegriff „non-binär“ geschaffen. Darunter fallen zum Beispiel die Ausprägungen „agender“, „bigender“ und „genderfluid“. Die Nichtbinarität spielte zum ersten Mal in den 90er-Jahren in den USA eine Rolle. Erst ab 2010 etablierte sich der Begriff auch global.

Das Rätsel um die Pronomen

Da derzeit noch keine einheitliche Regelung für die Verwendung bestimmter Pronomen existiert, entscheiden nichtbinäre Personen selbst, womit sie sich wohlfühlen. Während manche Neopronomen wie „xier“ oder „dey“ nutzen, ist Tino mit sämtlichen Varianten einverstanden: „Ich verwende alle Pronomen und bevorzuge eigentlich keine .“ Das ist natürlich nicht immer so. Um eventuelle Fettnäpfchen zu vermeiden, ist es deswegen ratsam, non-binäre Personen nach ihren Pronomen zu fragen.

 

 

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Woran erkennt man, ob man non-binär ist?

Menschen, deren Gender mit ihrem biologischen Geschlecht übereinstimmt, stellen sich oftmals die Frage, woran man merkt, dass man sich nicht ausschließlich mit den weiblichen oder männlichen Pronomen identifizieren kann. „Mir wurde vor etwa zwei Jahren bewusst, dass ich nonbinary bin, weil ich in den sozialen Medien ein Video darüber gesehen habe. Es passt einfach zu mir und ich kann dadurch ich selbst sein. Außerdem denke ich, dass so eine „festgelegte“ Sache nicht zu mir passt.“, erklärt Tino. Aufgewachsen ist der Teenager allerdings mit den Pronomen sie und ihre.

Das dritte Geschlecht

Nicht jede Person, die sich als nichtbinär identifiziert, ändert automatisch ihr biologisches Geschlecht in Personalausweis, Pass und Co. Im Juni 2018 entschied der österreichische Verfassungsgerichtshof auf Grundlage des Artikels 8 EMRK, dass betroffene Personen ein Recht auf adäquate Bezeichnung im Personenstandsregister und in Urkunden zukommt. Die Bestimmung der Europäischen Menschenrechtskonvention schützt nämlich unter anderem die Individualität und Integrität jedes Menschen, worunter auch die geschlechtliche Identität fällt. Allerdings bedeutet das natürlich nicht, dass jede:r dazu verpflichtet ist, sich als non-binär zu outen. Auch Tino sieht diese Einteilung nicht so streng und hat momentan noch keine Intention, sämtliche Dokumente auf das dritte Geschlecht umändern zu lassen: „Ich finde es okay, wenn mich Leute als „sie“ bezeichnen. Ich kleide mich auch sehr feminin. Selbst wenn ich meinen Pass ändern wollte, ist es denke ich zu früh, um mich jetzt darauf festzulegen.“

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Das Outing vor der Familie

Nicht selten werden nichtbinäre Personen mit negativen Reaktionen von Familie und Freundeskreis konfrontiert. Die Gesellschaft ist auf binäre Pronomen ausgerichtet, wodurch häufig vieles außerhalb des Cis-Spektrums keinen Platz findet. Tinos Freund:innen reagierten hingegen positiv auf das Outing. Ihre* Eltern hingegen können sich unter „non binary“ (noch) nicht allzu viel vorstellen. „Ich habe versucht, es meinen Eltern zu erklären, allerdings fällt es ihnen schwer, es zu verstehen. Ich habe mittlerweile gelernt, das zu akzeptieren“, erklärt die Schülerin*. Glücklicherweise befindet sich Tino in einem Freundeskreis, in welchem sich einige Freund:innen als genderqueer identifizieren.

 

 

Klassische Vorurteile

Was als „feminin“ und „maskulin“ gilt, hat sich in den Köpfen der Menschen längst manifestiert. Genauso besteht meistens die Annahme, dass alles im Spektrum zwischen den „klassischen“ Geschlechtern androgyn sein müsse. Wer nicht stereotypisch männlich oder weiblich ist, kann nur etwas dazwischen sein, so das Klischee. Zudem wird Nonbinarität oftmals mit Intersexualität verwechselt.

 

Intersexualität ist der Überbegriff für ein medizinisches Phänomen, das beispielsweise durch Entwicklungsstörungen des Hormonsystems oder durch Anomalien der Geschlechtschromosomen zum Ausdruck kommt. So kann es beispielsweise vorkommen, dass Babys sowohl mit weiblichen als auch männlichen Geschlechtsmerkmalen zur Welt kommen. In einigen Fällen folgen Operationen und es wird ihnen somit die Entscheidungsfreiheit über ihre Geschlechtsidentiät genommen. Der Geschlechtseintrag „divers“ wurde demnach auch für intersexuelle Personen geschaffen. Gender hingegen beschreibt das soziale Geschlecht einer Person innerhalb der Gesellschaft und Kultur.

Tino sieht non-binär sein nicht als ausgeglichene Mischung der Geschlechter männlich und weiblich, wie sie* erklärt: „Wenn ich der Welt eines mitteilen könnte, dann wäre es, dass es keinen „non-binary-Look“ gibt. Ich habe das Gefühl, dass vor allem auf Social Media suggeriert wird, alle nichtbinären Personen müssten sich androgyn kleiden. Dieser Ansicht nach dürften sie weder feminin noch maskulin aussehen. Aber non-binary ist kein Label für einen bestimmten Look. Man gehört einfach keinem bestimmten Geschlecht an, da Nichtbinarität ein eigenes Geschlecht ist. Ich selbst fühle mich an manchen Tagen maskuliner, an anderen Tagen wieder femininer.“

In der Serie “Unlearning patriarchy” verlernen wir uns beigebrachte Geschichte und lernen sie aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Das Schreiben einer gemeinsamen „We-Story” beginnt damit die alten Geschichten zu verlernen. Sanft, freundlich und vor allem mit dem Vorsatz wenig zu werten.

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