Article by Magdalena Mösenlechner

Tanzen, Nacktheit, Glücksgefühle: Sex-Positive-Party von Hausgemacht

Schon seit vier Jahren veranstaltet Hausgemacht nun Sex-positive-Partys. The Wild Golden Egg war vor Ort, um euch einen Einblick ins entblätterte Feiern zu geben. Lest hier, wie die Partys ablaufen, oder erfahrt Genaueres über die Mitglieder des Kollektivs.

Weiterhin könnt ihr euch hier über unsere Workshops informieren.

 

ZU UNSEREN WORKSHOPS

Copyright: Purrception.Photography / Sabrina G.

Aufgeregte Stimmen in der Warteschlange. Es wird gelacht und geplaudert und am Wegbier genippt. „Warum möchtest du auf die Party?“, fragt jemand an der Tür. Es sollte nicht die letzte Frage bleiben. An der Garderobe wird der Mantel abgelegt. Und die Hose. Und alles andere. Denn das hier ist nicht das übliche Techno-Clubbing, sondern eine Sex-positive-Party.

Hausgemachte Partys

Das Kollektiv Hausgemacht frönt nun schon seit über sieben Jahren dem Hedonismus der Clubszene. Viele ihrer Veranstaltungsreihen heben sich von Dagewesenem ab, wie etwa “(K)eine Hexerei“, bei der ausschließlich weibliche DJanes auflegen. An Freiheit, Lust und einzigartiger Stimmung ist jedoch die Sex-positive-Reihe „Zusammen Kommen“ nicht zu übertreffen. Bei den Wörtern „Party“ und „Sex“ denken jedoch viele an einen Swinger-Club. Katharina Kiesenhofer, Mitglied von Hausgemacht, erklärt den Unterschied: „Bei uns geht es schon vorwiegend ums Tanzen und ums Feiern und die Musik steht immer noch im Vordergrund. […] Es geht vor allem darum, dass man sich selbst frei fühlen kann. Da ist für viele dann Sex und Sexualität eine wichtige Komponente. Aber es muss eben nicht sein.“

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Also hinkommen und kommen, oder auch einfach nur tanzen – jeder und jede, wie es beliebt. Auch auf die Gewichtung der Besucher wird geachtet, wie Ilona Lerner vom Kollektiv erklärt: „Das ist eine queer feministische Party und das kann man bei Swingerclubs eigentlich gar nicht sagen – zum größten Teil. Wir schauen eben immer auf einen hohen Frauenanteil und dass sich gerade FLINTA bei uns wohlfühlen.“

Infobox: FLINTA

FLINTA ist eine Art Sammelbegriff. Das F steht für Frauen, wobei jede Person zählt, die sich als Frau definiert. Das L steht für Lesben, das I für inter Personen – also Personen, die biologisch nicht eindeutig einem Geschlecht zuweisbar sind. Das N steht für non-binäre Personen, welche sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen. Das T steht für trans Personen, also Menschen, die nicht ihrem gebürtigen Geschlecht entsprechen.

Safer Sex(positive Partys)

Bevor gemeinsam gefeiert, getanzt und geschmust werden kann, stellt sich die Frage der Sicherheit. Vor allem Frauen werden in Clubs regelmäßig betatscht, belästigt und in unangenehme Situationen gebracht – und dabei tragen sie dort mehr Kleidung, als auf Sex-positive-Partys. Genau aus diesem Grund achtet Hausgemacht ausgiebig auf Sicherheit und möchte sich so von anderen Clubbings abheben. Für die Partys kann man sich im Vorfeld online anmelden und muss einen ausgiebigen Fragebogen beantworten. Abgefragt werden Einstellungen zum Thema Konsent, aber auch die Motivation hinter dem Besuch. Vor Ort gibt es Securities und ein (50 Personen starkes) Awareness-Team. Das Team wird vorab geschult und kann von jeder/m Besucher:in angesprochen werden. Fühlt sich jemand bedrängt, unwohl oder hat andere Anliegen, hat das Awareness-Team ein offenes Ohr. Um die Awareness-Mitglieder schnell auffindbar zu machen, tragen sie Lichterketten.

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Wer sich nicht konsensuell verhält, fliegt raus. Katharina Kiesenhofer betont auch, dass die generelle Fortgehkultur übergriffiges Verhalten leider zu häufig duldet, sowas bei Hausgemacht aber keinen Platz findet: „In anderen Clubs wird das leider noch nicht immer praktiziert, dass Securities dann wirklich jemanden raushauen, weil er wem am Arsch haut. […] Das ist echt nichts, was wir hinnehmen müssen. Nur weil’s so oft passiert, ist es nicht okay. Es macht es eben nicht mehr okay, nur weil es häufig passiert. Wir müssen das nicht tolerieren, sondern dürfen Grenzen setzen.“

Entzückend entblättert

Vor dem Besuch stellt sich die Bekleidungsfrage – oder auch Entkleidungsfrage. Prinzipiell gibt es keine klaren Vorgaben was getragen werden soll, denn alles „was dein sexuelles Wesen unterstreicht“ soll möglich sein. Hausgemacht hat stattdessen eher Regeln, was nicht geht, darunter etwa Straßenkleidung, der Borat-Badeanzug und Togas. Das Outfit wird beim Ankommen im Club auch überprüft: „Bei der Garderobe schauen wir nochmal, was die Leute anhaben, damit sich auch wirklich alle wohlfühlen. Ein Beispiel: wenn viele weiblich gelesene Personen da sind und die eher männlich gelesenen Personen dann sehr viel mehr als die Frauen anhaben, fühlen sich die Frauen häufig eher unwohl.“, erklärt Katharina dazu.

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Es wird sich also zuhause in möglichst wenig Schale geschmissen, worüber ein loser Pulli und eine weite Hose gezogen werden. Gesagt, getan – schon steht man in winterlicher Montur vorm Club Exil. Jedoch mit einem spitzenbesetzten Geheimnis unter dem Wollmantel. Um Wartezeiten zu verkürzen, erhält man nach erfolgreichem Ausfüllen des Fragebogens (und der Überprüfung der Antworten) einen Zeitslot per Mail. Außerdem ist es von Vorteil, ein Foto des Outfits am Handy zu haben – so kann direkt beim Eingang geklärt werden, ob man die Regeln verstanden hat. In der Warteschlange herrscht freudige Erwartung und berauschende Nervosität. Die Handykamera wird abgeklebt, denn auf dieser Party herrscht Fotoverbot. Wenige Meter hinter der Tür stehen Tische und Stühle. Hier wird sich entblättert, die Straßenkleidung abgelegt und weggepackt und an der Garderobe ausgehändigt.

Nackt, aber nicht verletzlich

Die ersten Momente in Spitzenbody und Corsage fühlen sich seltsam an. Die Haut beginnt zu prickeln und man fragt sich, wie man gerade aussieht. Sehen die anderen die unvorteilhaften Stellen des eigenen Körpers? Findet jemand das Outfit blöd? Am Weg zur Bar tippt eine vorsichtige Hand auf die Schulter. Eine blondgelockte Frau lächelt und fragt: „Darf ich dir ein Kompliment machen?“ Nach einem Nicken fährt sie fort: „Ich liebe diesen Lederlook an dir!“ Und plötzlich ist man nicht mehr so nackt. Weil ja eh alle so aussehen. Keine Körperstelle fühlt sich mehr speckig an, kein Teil mehr unansehnlich. Jeder Körper ist schön. 

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Auch Ilona von Hausgemacht lernte durch die Partys ihren Körper zu akzeptieren: „Ich habe schon das Gefühl, dass mich das selbstsicherer gemacht hat, dass ich mir besser gefalle, dass ich mir nicht mehr so oft denke ‚Da sollte ich abnehmen oder da besser trainieren‘. Stattdessen habe ich das Gefühl, dass ich mit meinem Erscheinungsbild besser klarkomme, dadurch, dass ich mich häufiger freizügiger dort kleiden kann und das auch wohlwollend aufgefasst wird.“

Viel Haut & noch mehr Gemeinschaft

Auf der Party ist jeder gleich. Es tanzen Studenten in Strapsen mit Yoga-Lehrerinnen in Bustiers und Beamten in Lederriemen. Es fühlt sich an wie eine riesige Freundesrunde. Hanna Stummer trat dem Kollektiv bei nachdem sie eine der Sex-positive-Partys besuchte: „Ich glaube, so geht es einigen Gästen auf den Partys, die einfach eine gewisse Freiheit und auch eine Kultur zelebrieren, wodurch halt wirklich mehr Gleichheit und Gleichstellung herrscht. Dadurch kann man sich freier fühlen. Am Anfang ist man noch ein bisschen gehemmter und dann auf einmal feiert man da komplett schonungslos dahin.“ Dem Kollektiv ist auch Body Positivity wichtig, den jeder Körper ist hier willkommen.

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Selbstbestimmung, Feminismus und offenherziges Feiern

Für das Kollektiv haben die Sex-positive-Partys auch viel mit Feminismus zu tun. Katharina betont, dass das achten auf Konsens es Frauen ermöglicht ihre weibliche Sexualität besser zu erforschen, als die Gesellschaft es bisher schaffte: „Ich finde Selbstbestimmung vor allem wichtig, weil wir als Frauen in der Gesellschaft schon hin- und hergerissen sind. Einerseits sollen wir sexuell verfügbar sein und wir sollen dem Hetero-Mann ein schönes Bild geben, andererseits darf der Rock nicht zu kurz sein. Man ist hin und hergerissen zwischen dem was man soll und dem was man nicht soll. […] Im Rahmen der Selbstbestimmung kann man mal selbst schauen: “Was fühlt sich eigentlich gut für mich an? Was taugt mir eigentlich so?”

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Neben der Tanzerei wird auch die Netzhaut beglückt. Aber nicht nur, weil so viel Nacktheit herrscht. Die verschiedenen Outfits in all ihrer Diversität, die bunten und fröhlichen Menschen in all ihrer Herrlichkeit und die offene und herzliche Stimmung berauschen mehr, als all der Spritzwein auf Erden es könnte. Neben Techno spielt es auf dem Trash-Floor auch Madonna, Britney Spears und Co. Wer noch nie Hundert knapp bekleidete Menschen zu „Oops!…I Did It Again“ tanzen und singen gesehen hat, hat noch nicht gelebt. Verschiedene Acts wie Burlesque-Tänzerin Pixie Baroque heizen die Stimmung zusätzlich auf.

Dunkle Räume und offene Lust

Sobald es etwas hitziger auf der Tanzfläche zugeht, hat man auf dieser Party auch die Möglichkeit den körperlichen Freuden offen vor Ort zu frönen. Der Darkroom fängt Lust- und Liebeswütige auf, wobei dennoch auf Awareness geachtet wird. Am Eingang wird aufgepasst, dass niemand den Raum alleine betritt. Damit wird ungewollten Zuschauenden vorgebeugt. Sicherheit betrifft aber auch die fleischlichen Freuden an sich, weshalb Kondome, Gleitgel und Lecktücher verteilt werden. Auch im Dunkeln geht es respektvoll zu – keine Hände strecken sich ungefragter Weise nach Körpern, die nicht zuvor gefragt wurden. Die Sex-positive-Party scheint ein Safe-Space für frivole Freuden und entkleidetes Tanzen. Alles kann, nichts muss.

Wenn ihr genaueres zu den Mitgliedern des Kollektivs erfahren wollt, und wie die Medienwelt auf die Sex-positive-Partys reagiert, dann lest in diesem Artikel weiter. 

In der Serie “Unlearning patriarchy” verlernen wir uns beigebrachte Geschichte und lernen sie aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Das Schreiben einer gemeinsamen „We-Story” beginnt damit die alten Geschichten zu verlernen. Sanft, freundlich und vor allem mit dem Vorsatz wenig zu werten.

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