Article by Stefan Feinig

6 Männer die Männlichkeit neu definieren

Jahrhundertelang hat das Patriarchat bei jedem Mann, der aus seiner Geschlechterrolle herausgetreten ist, oder es auch nur ansatzweise versucht hat, eine Augenbraue hochgezogen. Oft auch mehr als das. Die Erwartungen waren und sind diesbezüglich leider immer noch eindeutig. Männer werden weiterhin hauptsächlich durch ihre Körperlichkeit, Rücksichtslosigkeit und ihre Rationalität (aka Emotionslosigkeit) definiert. Der Mann bleibt so natürlich gefangen. Er muss gefühlskalter Familienvater, berufliche Autoritätsmacht und Potenzmaschine sein und darf seine Kraft hauptsächlich durch Muskeln beweisen. Heterosexuell muss er obendrein natürlich auch noch sein. Jeder Kerl, der es wagt, aus diesem heteronormativen Gefängnis auszubrechen, hat es da natürlich nicht leicht. Dennoch haben wir eine Liste an Männern für euch, die es geschafft haben Männlichkeit neu zu definieren.

Leonard Cohen – sanft-verletzliches Bühnenerlebnis

Bevor er mit der Musik – eher nicht geplant – durchgestartet ist, war Singer-Songwriter Legende Leonard Cohen als Schriftsteller bekannt. Sein Roman Beautiful Losers (1966) war ein internationaler Bestseller. Bis zu seinem Tod 2016 veröffentlichte Cohen zahlreiche Gedichtsammlungen, Romane und als Musiker brachte er es auf stolze vierzehn Studioalben. Seine vor allem in der Frühphase melancholisch gefärbten und poetisch-sanften Songs wurden Hits und werden heute noch gecovert.

Seine Werke thematisieren zutiefst existenzielle Fragen: Liebe, Freundschaft, Lebenssinn, menschliches Leid, Tod und Spiritualität. Im Gegensatz zu seinen männlichen Musikerkollegen war Cohen zu Beginn seiner Karriere als Musiker vor allem für seine gefühlvollen und innigen Liveauftritte bekannt. Mit geschlossenen Augen und voller Selbstaufgabe schien es, als wäre da ein Mann, der kompromisslos seine Gefühle nach außen trägt. Ein Novum für die Männer auf den Bühnen der damaligen Zeit. Vor allem bei Frauen (weiblichem Publikum), war Cohens Art zu „performen“ (was nicht als Darstellung, sondern vielmehr als kompromisslose Ehrlichkeit interpretiert wurde) extrem beliebt. Eine neue Art von Mann war geboren. Jemand der tiefgreifend über seine Beziehungen singt, jenseits der oberflächlichen Allerweltsabhandlung von Liebe. Verletzlich, Emotional, Offen, Ehrlich. Und das alles angstfrei auf der Bühne gelebt.

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David Bowie – die Unterwanderung dessen, wie sich ein Mann darzustellen hat

Nichts ist so männlich, wie Rock. Grölende Männer mit Bier in der Hand und brachialem Testosterongebaren. Anfang der 1970er Jahre wurde dieses männliche Musikgenre jedoch von einem Phänomen unterwandert, dass heute unter dem Namen „Glam Rock“ bekannt ist. Glam Rock ist ein Subgenre der Rockmusik, bei dem nicht nur die Musik, sondern auch der Bühnenauftritt im Mittelpunkt steht und am besten musicalhaft-opulent gestaltet ist.

Zentral für dieses Genre war eine futuristische, androgyne und bunt-glitzernde Ästhetik. Auch das Cross-Dressing – das Tragen von Kleidung, die nicht der Geschlechterrolle einer Person entspricht – war typisch für den Glam Rock. Galionsfigur dieser Musikrichtung ist David Bowie. Mit seiner Verwendung von Make-up (eigentlich inspiriert vom japanischen Kabuki-Theater) gilt er fast schon als Begründer des modernen Crossdressing beziehungsweise ist ihm wohl nicht abzusprechen, dass er für dessen Popularität so einiges geleistet hat. David Bowie lässt sich wohl wie selten jemand in die Reihe an Männern einreihen, die Männlichkeit neu definiert haben.

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David Beckham – metrosexuelle Revolution im Locker Room und darüber hinaus

Jemand der wohl vielleicht eher zufällig eine Transformation in der Männerwelt herbeigeführt hat ist der ehemalige englische Fußball-Star und Fashion-Gott David Beckham. Klar driftete sein Fame abseits des Spielfelds und nach seiner Karriere als Fußballspieler radikal in eine konsumorientierte Vermarktung seiner selbst ab. Nichtsdestotrotz muss man ihm zugute halten, dass er es geschafft hat im machoistischen und erzkonservativen Umfeld des männlichen Sportsmanships eine neue Form von Mann zu etablieren: den Metrosexuellen Mann. Sprich: Ein heterosexueller urbaner Mann, der gerne einkaufen geht, Mode und ähnliche Interessen hat, die traditioneller Weise hauptsächlich mit Frauen oder schwulen Männern verbunden sind.

 

Dank David Beckham war es plötzlich vollkommen in Ordnung, dass sich Sportler, neben ihren auf reine Leistung und Ergebnis reduzierten Leben im Wettkampf, auch als ästhetische Wesen begreifen dürfen. In ihre Schönheit investieren und diese auch radikal vermarkten. Für die Befreiung des Mannes (und des Menschen) aus den Zwängen der neoliberalen Konsumwelt ist diese Art des Mannseins natürlich nicht gerade hilfreich. Dennoch hat hier eindeutig ein Paradigmenwechsel stattgefunden.

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Timothée Chalamet – hybride Männlichkeit auf dem Vormarsch

Vom Schauspieler Timothée Chalamet würde man auf dem ersten Blick nicht erwarten, dass er so etwas wie eine Revolution in Sachen Mannsein herbeiführen könnte. Doch eine Vielzahl an Expert:innen sind sich einig, dass es sich genau so verhält. Timothée Chalamet ist ein neuer Typ Mann. Doch wie hat er das geschafft?

Der noch junge New Yorker Schauspieler ist jemand, der sich allein schon aufgrund seiner Filme nicht einordnen lässt. Er spielt in Blockbustern genauso wie in Arthouse-Filmen. Er ist sensibel aber zugleich kann er ebenso hart sein. Auch modisch ist er außergewöhnlich. „Ein Mann, der Latzhosen mit Batik-Muster oder ein Strass-Geschirr von Louis Vuitton um den Oberkörper trägt.“, wie festgestellt wird.

Somit ist er ein Vorreiter, wenn nicht sogar schon die Verkörperung eines neuen und viel diverseren Männerbildes. Männer vom Schlag eines Timothée Chalamet sind schlanker und nicht mehr so muskelbepackt wie früher. Auch die Wissenschaft hat schon ein Statement zu dem jungen Mann und so scheint er dem zu entsprechen, was man in der Männlichkeitsforschung als „hybride Männlichkeit“ bezeichnet, wie der Literaturwissenschaftler Toni Tholen der Universität Hildesheim erklärt. Chalamet: Er orientiert sich weg vom klassischen Männerbild und traut sich, etwas weiblicher zu sein. Verliert dabei jedoch nicht die männlichen Privilegien. Er zeigt sich engagiert, offen und nachdenklich, ist in der Film- und Mode-Industrie gleichermaßen extrem erfolgreich.

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Harry Styles – eine moderne männliche Ikone

Wie Chalamet lässt auch der britische Sänger, Songwriter und ehemaliges Mitglied der Boygroup One Direction, Harry Styles, die Klischees und alten Rollenbilder hinter sich. Vor allem auf den Red Carpets ist Styles für seinen Modemut bekannt. Experimentierbegeistert hat er die schwarzen Anzüge und Smokings hinter sich gelassen und fordert die klassischen Vorstellungen traditioneller Männerkleidungkleidung heraus. Mit Perlenohrring und lackierten Nägeln lässt er auch Mädchenherzen höherschlagen.

By the way: mittlerweile leben die männlichen Stars ihre Lust auf Mode und Selbstinszenierung genauso schamlos aus wie die weiblichen Berühmtheiten. Allem voran eben Harry Styles. Er ist hot, charming und ein very very nice guy. Eigenschaften, die sich nicht mehr widersprechen müssen.

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Billy Porter – modisch, politisch, erbarmungslos ehrlich

Billy Porter dürfte Insider:innen aus der Serie “Pose” bekannt sein. Eine Dramaserie über die New York Drag-Szene der 1980er und 1990er Jahre. Was Billy Porter als eine neue Form von Mann auszeichnet, ist jedoch vor allem seine Fähigkeit, Stärke jenseits der klassisch männlichen Definition zu zeigen.

Abseits einer, mit Hypermuskeln bepackten Männerwelt, ist er auf allen nur erdenklichen Ebenen jemand, der die Grenzen immer wieder überschreitet, den Status Quo herausfordert und erbarmungslos übermächtige Ideologien attakiert. Und das, wie schon gesagt, ohne seinen Gegnern die Köpfe einzuschlagen oder durch andere klassisch männliche Alphagesten aufzufallen.

Nicht nur modisch hat Porters Stil im Laufe der Jahre viele Phasen durchlaufen (Vintage, Abercrombie and Fitch, Geek Chic usw.), es ist vor allem die Art, wie er Mode nutzt, die ihn von anderen abhebt. Porter hat es sich nämlich vorgenommen, Mode politisch zu nutzen. Dabei hat sich in ein „wandelndes Stück politischer Kunst“ verwandelt.

Durch seine Outfits versucht er die Vorstellungen der Menschen von Männlichkeit in Frage zu stellen. Zugegeben machen die vorherigen Ausnahmemänner das auch. Bei Porter kommt jedoch hinzu, dass er, zusätzlich dazu, auch noch extrem politisch ist. Während viele andere sich aus politischen Belangen raushalten, nimmt Porter gerade da kein Blatt vor den Mund und findet mehr als klare Worte. Zum Beispiel bezüglich der Rassenthematik in den USA, wo er scharfe Kritik an der White supremacy ausübte.

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Fazit

Was das Männerbild betrifft sind machoistisches Dominanzverhalten und patriarchale Herrschaftsstrukturen in letzter Zeit radikal in Frage gestellt worden. Der Feminismus, die Politik, aber auch das Leiden der Männer selbst an einer starren Rolle und den stupiden Anforderungen von Männlichkeit führen immer mehr zu einem Umdenken.

Doch die Gesellschaft scheint, was einen endgültigen Paradigmenwechsel betrifft gespalten. Während der eine Teil der Männer sich im Wandel befindet und neue Wege gehen will, stehen die anderen diesem Prozess auf Transformation entgegen. Denn finden sich auf der einen Seite immer mehr Männer, die die alten Bilder niederreißen, beharrt die andere nur umso vehementer darauf und pocht auf eine Retraditionalisierung der Männlichkeit. Und es scheint völlig offen, wohin das Pendel stärker ausschlagen wird. Mit Sicherheit lässt sich jedoch sagen, dass die patriarchale Männlichkeit brüchig geworden ist.

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