Article by TWGE Redaktion
Psychotherapie für Männer – Wo du dir Hilfe holen kannst
Auch Männer brauchen Psychotherapie. In der Praxis sieht das aber leider anders aus, denn aus falschem Stolz wird Hilfe oftmals abgelehnt. Das ist jedoch nicht der Hauptgrund für die mangelnde Behandlungsbereitschaft: Vielmehr mangelt es an psychotherapeutischen Angeboten, die auf männliche Bedürfnisse zugeschnitten sind.
Etwa eineinhalb bis drei Prozent der Österreicher:innen befinden sich in psychotherapeutischer Behandlung. Das ist angesichts der durch Pandemie und Krieg ausgelösten Krisensituationen sehr wenig. Der tatsächliche Behandlungsbedarf dürfte viel größer sein, jedoch überwiegt die Scham vieler Betroffener. Obwohl heutzutage offener mit psychischen Erkrankungen umgegangen wird, bleiben Vorurteile in der breiten Bevölkerung erhalten. Männern fällt es schwerer, sich Schwäche einzugestehen und Hilfe anzunehmen.
Ursachen für fehlende Therapiebereitschaft
Wissenschaftler:innen untersuchen schon seit den 1990ern mögliche Ursachen für die mangelnde Behandlungsbereitschaft von Männern. Zuerst wurde angenommen, dass Männer aufgrund ihrer Sozialisation und der traditionellen Geschlechterrollen gewaltbereiter und dominanter seien und sich deswegen seltener Schwächen zugestehen würden. In den letzten Jahren kamen Expert:innen jedoch zu folgendem Ergebnis: Das Problem sei nicht nur das stereotype männliche Verhalten, sondern auch unzureichende Psychotherapieangebote.
Bedürfnisse männlicher Betroffener unterscheiden sich nämlich von jenen der Frauen. Beispielsweise bevorzugen Männer meist männliche Therapeuten, das Angebot beschränkt sich allerdings vorwiegend auf Psychotherapeutinnen. Auch die Herangehensweise an Probleme ist eine andere: Während Frauen oftmals nur das Gespräch suchen, möchten Männer aktiv an ihren Problemen arbeiten. Problematisch ist außerdem, dass Gefühle von Männern schneller als krankhaft erkannt werden, während dieselben Emotionen bei Frauen kein Krankheitsbild darstellen.
Mangelndes Vertrauen in die Psychotherapie
Das oftmals fehlende Vertrauen von männlichen Patienten in Psychotherapeut:innen hemmt den Therapiefortschritt. Männer haben häufig das Gefühl, stark und unabhängig sein zu müssen. Dadurch fällt es ihnen schwerer, sich Schwächen einzugestehen und über ihre Probleme und Bedürfnisse zu kommunizieren. Sie leiden dadurch lieber still und heimlich, anstatt eine Veränderung in ihrem Leben vorzunehmen. Zudem wird Psychotherapie in vielen Kreisen gar nicht als wirksames Therapiemittel anerkannt. Der mangelnde Glaube an die Wirksamkeit ist ein weiterer Grund, weshalb sich Betroffene nur schwer darauf einlassen können.
Psychotherapeutische Techniken für Männer
In einer Studie der Western Washington University wurde festgestellt, dass es Männern häufig nicht reicht, ihren seelischen Ballast in einem psychotherapeutischen Gespräch loszuwerden. Vielmehr bedarf es konkreter Lösungen und Vorschläge, um Betroffene zum Handeln anzuregen. Innerhalb der Therapiesitzung sollte das Gesagte zusammengefasst und stets nach den Gefühlen und Gedanken des Klienten gefragt werden. Dabei ist es wichtig, diesen nicht dazu zu drängen, sich zu öffnen und etwaige Emotionen nicht als krankhaft abzustempeln.
Männern wird vielfach vorgeworfen, nicht an sich arbeiten zu wollen, egoistisch und gefühlskalt zu sein. Das wird leider auch in Therapien zum Thema gemacht, was dazu führt, dass Klienten die Motivation verlieren. Aus diesem Grund bedarf es Psychotherapeut:innen, die eigens auf Männerthemen spezialisiert sind. Das ermöglicht Betroffenen eine wertungsfreie Therapieerfahrung. Außerdem leiden Männer tendenziell unter anderen psychischen Erkrankungen als Frauen, wie etwa Suchterkrankungen. Krankheiten wie Depressionen, Panikstörungen und ähnliches lösen bei Männern eine andere Symptomatik aus, die in der Praxis meist missinterpretiert und damit gar nicht erkannt wird.
Männerberatung – Therapie für Männer
Für Skeptiker und temporäre Lebenskrisen könnte die Lebensberatung für Männer (LEBMA) eine gute Alternative zur Psychotherapie sein. Die LEBMA ist eine Mischung aus Beratung und Therapie, in der Betroffenen bis zu zehn Beratungssitzungen ermöglicht werden. In dieser Lebensberatung suchen Lebens- und Sozialberater:innen mit den betroffenen Männern gemeinsam nach einer Lösung für akute Krisen. Die Klienten müssen sich also nicht davor fürchten, zu einem tiefenpsychologischen Gespräch genötigt zu werden und können selbst aktiv mitarbeiten. Wer dann trotzdem psychotherapeutischen Bedarf hat, wird auf Wunsch an einen Therapeuten oder eine Therapeutin vermittelt.
Betroffene können die Lebensberatung mit Themen wie beispielsweise Trennungskonflikten, sexuelle Problemen, Vaterschaft, Sucht, Ängsten und Einsamkeit aufsuchen. Über ein Vorgespräch ermitteln die Berater:innen das konkrete Anliegen und verweisen die Klienten dann an entsprechende Therapeut:innen oder Lebens- und Sozialberater:innen. Auch auf die finanziellen Mittel der Hilfesuchenden wird Rücksicht genommen, weswegen beim Vorgespräch Einkommensunterlagen vorzulegen sind. Bei psychischen Erkrankungen besteht ein Anspruch auf (teilweise) Erstattung der Beratungs- bzw. Therapiekosten durch die Krankenkasse.
Erreichbar ist die Männerberatung unter 01 603 28 28 oder per Mail unter thema@maenner.at.
Bürozeiten
Montag – Donnerstag:
09:00 – 12:00 Uhr, 15:00 – 19:00 Uhr
Freitag: 09:00 – 16:00 Uhr
In Krisensituationen rund um die Uhr:
0800 400 777 (Männerinfo.at)
Eine weitere Unterstützung ausschließlich für Männer bietet das Männergesundheitszentrum (MEN). Neben persönlicher psychologischer Beratung gibt es Fortbildungen, Jugendworkshops und Gruppenangebote. Diese sollen Männer und Jugendliche auch bei einer gesunden Lebensweise unterstützen und Fragen rund um Sexualität, Liebesbeziehungen und Vaterschaft beantworten. Des Weiteren können sich Betroffene im Rahmen dieser Einrichtung untereinander austauschen und somit einen Schritt aus ihrer Einsamkeit und Isolation wagen.
MEN
Wiener Gesundheitsverbund – Klinik Favoriten (Kundratstraße 3, 1100 Wien)
Telefon: +43 1 60191 – 5454
E-Mail: kfn.men@gesundheitsverbund.at
Terminvereinbarung
Montag: 09:00 – 13:00 Uhr
Mittwoch: 09:00 – 13:00 Uhr
Donnerstag: 09:00 – 13:00 Uhr
Natürlich stehen betroffenen Männern alle anderen Hilfsangebote, wie etwa der Sozialpsychiatrische Notdienst, die Telefonseelsorge und das Kriseninterventionszentrum zur Verfügung. Diverse Selbsthilfegruppen bieten außerdem die Möglichkeit, sich zu einem bestimmten Thema mit anderen Betroffenen auszutauschen.
In der Serie “Unlearning patriarchy” verlernen wir uns beigebrachte Geschichte und lernen sie aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Das Schreiben einer gemeinsamen „We-Story” beginnt damit die alten Geschichten zu verlernen. Sanft, freundlich und vor allem mit dem Vorsatz wenig zu werten.