Article by Florentina Glüxam

Der Weg zu gutem Sex – Warum Kommunikation so wichtig ist

Studien belegen, dass Männer beim Sex deutlich öfter einen Höhepunkt erleben als Frauen. Das wirft natürlich die Frage auf, ob der Auslöser hierbei eine anatomische „Fehlkonstruktion“ der Frau ist, oder ob es sich dabei tatsächlich nur um ein Problem in heterosexuellen Beziehungen handelt.  Liegt es an der Dynamik zwischen den Geschlechtern oder vielleicht doch an mangelnder Kommunikation? Zwei Frauen öffnen sich und erzählen von ihren persönlichen Erfahrungen.

Orgasm Gap: Mythos oder traurige Realität?

Während 95 Prozent der heterosexuellen Männer beim Sex zum Orgasmus kommen, erreichen lediglich 65 Prozent der heterosexuellen Frauen ihren Höhepunkt. Eine Studie aus dem Jahr 2017 macht außerdem deutlich: Es handelt sich dabei um ein Problem heterosexueller Paare. Denn bei lesbischen Frauen lag die Orgasmusquote schon bei stolzen 86 Prozent. Die Ursache chronischer Orgasmuslosigkeit liegt somit nicht in der weiblichen Anatomie.

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Das Ungleichgewicht im Bett wirkt sich außerdem nachhaltig auf die Liebesbeziehung aus. Die US-amerikanische Studie ergab, dass sich die Zufriedenheit in der Beziehung und Experimentierfreudigkeit bei Frauen steigert, welche regelmäßig beim Sex einen Orgasmus erleben. Korrelierend dazu erhöht sich bei weiblichen Personen die Bereitschaft, im Bett zu experimentieren, offen über Bedürfnisse und Fantasien zu kommunizieren sowie diverse Sexpraktiken auszuüben. An dieser Stelle kann also festgehalten werden, dass Gespräche zwischen den Sexualpartner:innen generell ein wichtiges Mittel gegen sexuelle Frustration sind. Allerdings ist die Kommunikation nicht nur nach dem Orgasmus wichtig, sondern bereits davor. Personen mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen sind schließlich nicht mit einer Landkarte ausgestattet, die anführt, wo sich sämtliche Lustpunkte befinden. Selbst wenn dies so wäre – jeder Mensch hat natürlich unterschiedliche Vorlieben.

Über Sex sprechen – leichter gesagt als getan?

Nun wissen wir, dass Kommunikation ein bedeutendes – wenn nicht sogar das wichtigste – Kriterium für erfüllenden Sex ist. Wie sieht es allerdings abseits von Studien, nämlich in der Praxis aus? Zwei Frauen erzählen von ihren unterschiedlichen sexuellen Erfahrungen.

Für Paula* war Sex von klein auf kein Tabuthema. Durch ihre offene Mutter stellte Sexualität stets etwas Natürliches, Positives und Normales dar. Kommunikation über Sex im Allgemeinen oder auch über ihre eigenen Bedürfnisse war daher nie ein Problem für die Studentin. „Auch während dem Sex fällt es mir nicht schwer, meinem Partner mitzuteilen, was und wie ich es will. Ich glaube, das hat viel damit zu tun, dass ich schon immer einen gesunden Zugang zu Sex hatte und mir nie das Gefühl vermittelt wurde, es wäre etwas „Verbotenes“, worüber man nicht sprechen dürfte. Ich habe mich nie dafür geschämt und das habe ich definitiv meiner Mutter zu verdanken“, so die 22-Jährige.

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“Das Gefühl zu entwickeln, dass es ein normales Thema darstellt, ist ein Prozess”

Hannah* hingegen erlebte in ihrer eigenen Familie Gegenteiliges. Zwar wurde über das „unangenehme“ Thema Sex nicht gesprochen, jedoch trotzdem vorausgesetzt, dass das Verhütungsthema in Eigenregie abgehandelt wird. Mit gleichaltrigen Verwandten und Freund:innen fällt der 25-Jährigen die Kommunikation über Sexualität wesentlich leichter.  „Allerdings fühlt es sich bis heute meistens komisch an. Das Gefühl zu entwickeln, dass es ein normales Thema darstellt, ist ein Prozess.“

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Sind Frauen gehemmter als Männer?

“Egal ob Mann oder Frau – jeder Mensch sollte offen über Sex kommunizieren dürfen”

In unserer Gesellschaft ist das Stigma der verklemmten Frau weit verbreitet. Männer gelten als unartig und obszön, während eine vorbildliche Frau mit gutem Benehmen besser zu schweigen hat.

„Es herrscht noch immer dieses Unbehagen in den Köpfen vieler Frauen, sie würden als „nuttig“ und „leicht zu haben“ abgestempelt werden. Das finde ich total schade. Egal, ob Mann oder Frau – jeder Mensch sollte offen über Sex kommunizieren dürfen. Wenn Männer darüber sprechen, wird es cool oder sogar heldenhaft empfunden. Dabei sollte doch jede Person das Recht haben, frei über Sexualität sprechen zu dürfen.“, bestätigt Paula. Sie betont außerdem, dass eben genau diese Nichtkommunikation zu Unzufriedenheit und Konflikten zwischen den Geschlechtspartner:innen beim Sex führt. Natürlich sei es auch eine Altersfrage, denn junge Frauen gehen meist nicht so selbstverständlich mit ihrer Sexualität um. Auch Paula haderte als Teenager beim Sammeln ihrer ersten Erfahrungen damit, ihre Wünsche sofort zu kommunizieren. Zu groß war die Angst davor, ihren Sexpartner mit vermeintlicher Kritik zu enttäuschen.

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„Außerdem ist es einfacher, sich in dieser Hinsicht einer Person zu öffnen, die man liebt oder zumindest sehr gerne hat. Dadurch kann man offener kommunizieren, als mit jemandem, mit dem man vielleicht nicht so oft schläft. Natürlich kann auch das schwierig sein, weil man ja gerade diesem Menschen nicht das Gefühl geben will, er würde etwas falsch machen.“, ist die 22-Jährige überzeugt.

“Zu wissen, was meine Rechte sind, hat mir geholfen, besser von Männern behandelt zu werden”

Auch Hannah hat in ihrer jetzigen Beziehung bessere Erfahrungen gesammelt als in den Jahren zuvor. „Ich hatte kein Gefühl dafür dass ich etwas “einfordern” darf. Zu wissen, was meine Rechte sind, hat mir geholfen, besser von Männern behandelt zu werden.“, erklärt sie. In der Vergangenheit wurden ihre Bedürfnisse ihrer Ansicht nach auch deshalb nicht wahrgenommen, weil sie nicht klar kommunizierte. Statt Zufriedenheit nach dem Sex blieb deswegen lediglich ein schlechtes Gefühl.

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Was macht guten Sex aus?

Die Studie ergab des Weiteren, dass für Frauen die alleinige vaginale Penetration in der Regel nicht ausreicht. Viel wichtiger seien manuelle Stimulation der Genitalien, Oralsex und leidenschaftliche Küsse. Ergänzend dazu können Paula und Hannah aufgrund eigener Erfahrungen berichten, dass die Kommunikation und der persönliche Bezug zu ihrem Sexpartner ein bedeutender Faktor für erfüllenden Sex ist. Hannah fügt dem hinzu, dass stereotypische Rollenbilder und ein Mangel an Auseinandersetzung mit den eigenen Bedürfnissen ein Grund für schlechten Sex sein können.

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“Zärtlichkeit, Aktivsein, dem Gefühl und der Intuition folgen anstatt Rollenklischees zu erfüllen”

Sind Orgasmen für Frauen demnach ein Muss, oder kann es auch ohne Höhepunkt zu einem schönen Erlebnis werden? „Ein Orgasmus ist auf jeden Fall ein netter Nebeneffekt vom Sex. Ich kann natürlich nicht sagen, dass es mir egal ist, wenn es nie klappt. Aber grundsätzlich ist mir viel wichtiger, dass der Sex harmonisch abläuft und die Nähe bzw. den generellen Rauschzustand zu spüren.“, erklärt Paula. Zudem findet sie nicht, dass die Dauer des Geschlechtsverkehrs oder auch die Länge des männlichen Geschlechtsteils wesentlich sind. Hannahs Motto lautet: „Zärtlichkeit, Aktivsein, dem Gefühl und der Intuition folgen anstatt Rollenklischees zu erfüllen”.

*Namen von der Redaktion geändert.

In der Serie “Unlearning patriarchy” verlernen wir uns beigebrachte Geschichte und lernen sie aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Das Schreiben einer gemeinsamen „We-Story” beginnt damit die alten Geschichten zu verlernen. Sanft, freundlich und vor allem mit dem Vorsatz wenig zu werten.

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