Article by TWGE Redaktion

Watschengate: Gewalt im Namen der Liebe

by Janina Lebiszczak

Toxisch, legitim oder gar „männlich“? Bei den Oscars verteidigte Will Smith seine Frau mit einer Ohrfeige.

Und ich frage mich, ob es das wirklich gebraucht hat.

Nur für den Fall, dass ihr das Thema der Woche verpasst habt: Will Smith hat bei der diesjährigen Oscar- Verleihung Moderator Chris Rock abgewatscht. Hier das Video: 

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Auslöser war ein Glatzen-Witz über seine Frau Jada Pinkett Smith. Sie leidet an einer Autoimmun-Krankheit, der Gatte an einer schlechten Impulskontrolle und Rock unter schlechtem Humor.

Darüber wird heute heftig diskutiert. Geht gar nicht, meinen die einen. Nur gerechtfertigt, die anderen. Und natürlich wird der Watschentanz (sehr wahrscheinlich einfach ein dubioser Publicity-Gag) auch im Sinne des Feminismus diskutiert:

Brauchen wir Retter, die unsere Ehre mit körperlicher Gewalt verteidigen? Brauchen wir die vielzitierten „echten Männer“, die nicht lang rumfackeln statt einen Gesprächskreis zu formieren? Oder ist das Watschen-Gate ein gutes Beispiel für toxische Maskulinität und höchst unangebracht?

Nun, in meiner persönlichen Welt hätte das Jada wahrscheinlich selbst geregelt.

Nicht unbedingt auf der Bühne, aber spätestens auf der Aftershow Party und mit einem Rasierer in der Hand, um den bösen Burschen kahlzuscheren. Oder zumindest mit Worten zu stutzen. So eine Scheiße muss man sich nicht gefallen lassen. Aber brauche ich dazu (m)einen Mann?

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Und Gott war auch dabei.
Was mir außerdem übel aufstößt: Smiths’ Wording als frischgebackener Oscar-Preisträger.
Die Dankesrede wurde zur Verteidigungsrede, er entschuldigte sich erst bei der Academy und rechtfertigte sich dann damit, dass er immer jene verteidigen würde, die er liebt.
Unter Tränen sagte er: “Die Liebe lässt einen verrückte Dinge tun”, schluchzte überwältigt davon, was „Gott ihm als Aufgabe“ gäbe.
Ja, richtig gelesen: Auch Gott hatte da seine Finger im Spiel. Die spirituelle Kraft sich die Gegenattacke für diese Rede aufheben oder gar seine Frau auf die Bühne zu bitten, konnte er dem Superstar offenbar nicht geben. Verbal statt brutal – dafür ist es nun zu spät.
Promotion hin oder her: Die Oscar-Ohrfeige war kein schöner Anblick, normalerweise liegst du da flach. Sie war unangemessen und unangenehm. Kontrollverlust kommt einfach schirch – vielleicht weil es uns triggert, dass er auch Menschen treffen kann, die nicht gerade beleidigend waren.
Und selbst wenn – darf man sie dann schlagen? Darf man, vor allem wenn man es kann?
Ich gehe seit 3 Jahren boxen und hatte noch nie das Bedürfnis jemanden, der mir verbal zu nahetritt, wirklich niederzuhauen. Call me a Hippie: Gefährlich ist das alles deshalb, weil es suggeriert, dass es gute Gewalt und böse Gewalt gibt. Selbst wenn wir uns
gerne Revenge-Movies ansehen, selbst wenn wir Putin-Todes-Fantasien haben, und selbst wenn Selbstverteidigung in
Notlagen Selbstverständlichkeit sein sollte.
Die Oscarnacht der Frauen.
Aber mal zum wichtigsten Thema der Oscar-Verleihung mit seiner über 94-jährigen „so white and male“-Historie.
Erstmalig haben drei Frauen moderiert, Jane Campion wurde als erst dritte Filmemacherin überhaupt als beste Regisseurin ausgezeichnet, Sian Heder für das beste adaptierte Drehbuch, und erstmalig hat eine queere, farbige Frau den Nebendarstellerinnen-Oscar erhalten.
Das klingt im Jahr 2022 alles immer noch völlig nach Mittelalter – genau wie ein Mann, der glaubt seine Frau mit Fäusten verteidigen zu müssen. Aber zumindest tut sich da was. Ein wenig. Mal sehen, was Jada Pinkett Smith dazu sagt.
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