Article by Florentina Glüxam

Liebe auf den ersten Videoklick: Die Gefahr hinter Dating- und Lovecoaches

Während die Generation unserer Eltern und Großeltern noch selbst aus ihren Fehlern beim Dating lernen musste, holt sich die Generation Z Tipps und Tricks aus Sozialen Netzwerken. Auf Youtube, Instagram, TikTok und Co. ist alles zu finden, was das gebrochene Herz begehrt: Misogyne Datingcoaches erklären, wie Männer und Frauen sich zu verhalten haben, um beim jeweils anderen Geschlecht gut anzukommen.

Den meisten Frauen werden folgende Sprüche bekannt vorkommen: „Du hast einen Freund? Ich auch! Der steht dort hinten!“, „Solange du nicht verheiratet bist, kannst du mir ja eine Chance geben.“ Diese Zitate stammen allerdings nicht von besonders selbstbewussten und schlagfertigen Männern, sondern werden von selbsternannten Liebesexperten reproduziert und im Netz verbreitet. Das Ziel: Durch unerwartete Sprüche soll das Objekt der Begierde – also die Frau – länger in ein Gespräch verwickelt werden. Mit dem Ziel, die Chancen auf ein Date zu steigern und klassische Ausreden wie „Sorry, ich bin vergeben.“ zu umgehen, so der Konsens der Datingprofis.

So denkt ein (toxischer) Mann

Manche Datingcoaches richten sich auch an Frauen, wie etwa der Youtube-Kanal „So denkt ein Mann“. Hier verspricht Sean den Zuschauenden nach Befolgen seiner Ratschläge mehr Erfolg beim Dating. Er scheint sich mit dem Jagdinstinkt und den Vorstellungen eines Mannes gut auszukennen. Und hier ist wirklich nur ein Mann gemeint, denn für alle kann er wohl nicht sprechen. Beispielsweise erklärt er in seinem Kurzvideo „Daran erkennst du einen toxischen Mann“, welche Männer man besser korben sollte, wie etwa jene, die beim ersten Date nicht zahlen oder emotional Instabile. Des Weiteren bietet er eine Akademie für verzweifelte und erfolglose Frauen an, die ihre letzte Hoffnung auf den Gründer der SoDenktEinMann-Akademie setzen. Das Ziel: Frauen sollen dadurch lernen, ein freies und selbstbestimmtes Leben zu führen und am Ende eine Beziehung auf Augenhöhe erreichen. Nach etlichen erfolglosen Dates setzen betroffene Frauen oftmals ihre letzte Hoffnung in Lovecoaches wie Sean.

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Seine Erkenntnisse in der Kunst der Partnerwahl und des Datings erlangte er nach eigener Angabe durch sozialwissenschaftliche Studien. Die Anleitung für die erfolgreiche Suche nach dem Traumprinzen ist ihm beim Studieren dieser Erkenntnisse offenbar spontan in den Sinn gekommen. Auf der Website www.bleibeeinekönigin.de gibt er außerdem an, selbst in der Sozialforschung tätig gewesen zu sein. Zu seiner forschenden Tätigkeit ergibt die Google-Suche allerdings nichts. Das Impressum offenbart außerdem: Der Datingcoach heißt eigentlich gar nicht Sean, sondern Marc Krajnyak. Seine Website ist unter sei-alpha.de aufrufbar. Etwa eine Aufforderung an alle Beta-Männer?

Die Tipps und Tricks der Datingcoaches

Die meisten Lovecoaches garantieren in ihren Videos, Büchern oder Blogs, dass Frauen mithilfe ihrer Tipps ihren Traummann erobern könnten. Sean ergänzt sein Versprechen um den Zusatz: „Sofern er ein echter Mann ist.“ Was ist denn nun ein echter Mann? Personen, die sich durch Spielchen manipulieren lassen oder traditionelle Rollenbilder verinnerlicht haben? Marc Krajnyak alias Sean geht sogar noch eine Stufe weiter und bezeichnet alle Männer, bei denen seine Tricks nicht funktionieren, als „Lappen“, „Würstchen“ und „Männer ohne Eier“. Die Begründung: Ein Mann wäre nur ein echter Mann, wenn er seinen Willen durchsetzen kann. Sean fördert und bestärkt seine Zuschauer:innen also darin, das patriarchale System auch beim Dating zu unterstützen.

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Die Misandrie hinter den Pick-Up Artists

„Aufreiß-Künstler“ zeichnen sich durch die Anwendung diverser psychologischer Methoden aus, die das Ziel haben, Menschen zu verführen. Die Opfer sind vorwiegend weiblich, was vermutlich auch daran liegt, dass sämtliche Pick-Up Artists Inhalte konsumieren, die auf (Hetero)Männer ausgelegt sind. Das Problem: Die Vorgehensweisen der Aufreiß-Künstler sind eindeutig frauenfeindlich und antifeministisch. Eine Technik ist unter anderem „Push and Pull“, durch welche Frauen zuerst mit Komplimenten überhäuft und anschließend erniedrigt werden sollen. Außerdem hilft ihnen die Methode des Neurolinguistischen Programmierens (NLP) dabei, das “Objekt der Begierde” besser kontrollieren zu können. Pick-Up Artists sprechen Frauen meistens in der Öffentlichkeit an und dies so lange, bis sich eine von ihnen für ein Date bereit erklärt.

Der Sozialpsychologe Rolf Pohl bezeichnete die Pick-Up-Artist-Community sogar schon als „Rückwärtsgewandte sektenähnliche Gemeinschaft“. Die Problematik besteht also nicht nur in einzelnen Mitgliedern dieser Gruppierung, sondern im Weltbild und der Maschinerie dahinter, die immer mehr männliche Fans für sich gewinnt. Nicht nur die Frauenfeindlichkeit ist problematisch, sondern auch die Entwicklung einer systematischen Männerfeindlichkeit, die sich allerdings nur gegen sogenannte Beta-Männer richtet. Datingcoaches erklären auf der Grundlage veralteter oder pseudowissenschaftlicher Auffassungen, wie sich Männer und Frauen verhalten müssen, um überhaupt wahrgenommen zu werden.

Der Jäger und die Gejagte

Während harmlosere Datingcoaches schüchternen Männern Flirttipps geben, erklären Pick-Up Artists in ihren Videos, wie sie eine Frau schnell zu Sex verführen können. Ein bekanntes Beispiel ist Marquardt Frickert, der solche Szenen sogar mit versteckter Kamera filmt. Anhand dessen erklärt er seinen Zuschauern, wie er eine Frau am schnellsten ins Bett bekommt. „Aus dem Club abgeschleppt: Live Flirt in voller Länge!“ lautet einer der Videotitel auf seinem Youtubekanal, in dem er vor laufender Kamera übergriffig wird. Sein einziges Ziel: Sex. Dabei ist es ihm sichtlich egal, ob seinem Gegenüber die sehr intimen Fragen unangenehm werden. Die auserwählte Frau ist unter Alkoholeinfluss und gibt mehrmals zu erkennen, dass ihr seine Vorgehensweise zu forsch sei. Frickert will seinen Lehrlingen allerdings beweisen, dass es sich durchaus auszahle, einfach dranzubleiben, bis die Frau ihre Meinung doch ändert.

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Ähnliche Szenarien spielen sich auf dem Youtubekanal von „DonJon verfuehrt“ ab. In mehreren Videos zeigt er seiner Zuschauerschaft, wie man das Nein einer Frau am schnellsten zu einem Ja umkehrt. Eine dabei von ihm angewandte Methode ist Gaslighting, bei dem er sein Opfer durch gezielte Verunsicherung desorientiert. Die von ihm angesprochene Touristin betont mehrmals, dass sie nicht auf der Suche nach Sex sei und nicht zu ihm nach Hause gehen möchte. Daraufhin erklärt ihr der selbsternannte Verführungsexperte, sie wäre lediglich nicht selbstbewusst genug und müsse zuerst an ihrem Selbstbewusstsein arbeiten.

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Not all men?

Natürlich handelt es sich dabei nur um einzelne Negativbeispiele der Datingszene. Allerdings nutzen Pick-Up Artists und Datingcoaches nicht nur die Unsicherheit von Frauen, sondern auch jene ihrer männlichen Follower aus, um Profit beziehungsweise Lustgewinn daraus zu schlagen. Sie überschreiten vor laufender Kamera die Grenzen ihres Dates und raten ihren Zuschauenden, dies nachzuahmen. In der Praxis freuen sich natürlich immer weniger Frauen, von Männern angesprochen zu werden und Männer verunsichern negative Reaktionen umso mehr. Denn wie kann es sein, dass nicht einmal Tipps von „Profis“ funktionieren?

Für die Liebe wäre es vor allem hilfreich, internalisierten Sexismus zu überwinden. Denn erfahrungsgemäß lassen sich weder Frau noch Mann gerne zum Objekt von Machtspielchen degradieren. Statt Aufriss-Künstlern könnte stattdessen die Kunst des respektvollen Umgangs gelernt werden. Denn nichts ist sexier als Konsens. Kein erschwindelter und mit Psycho-Spielchen ergatterter Sex kann so gut sein, wie wahrhaftige Anziehung und ein normales Kennenlernen.

In der Serie “Unlearning patriarchy” verlernen wir uns beigebrachte Geschichte und lernen sie aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Das Schreiben einer gemeinsamen „We-Story” beginnt damit die alten Geschichten zu verlernen. Sanft, freundlich und vor allem mit dem Vorsatz wenig zu werten.

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