Article by Janina Lebiszczak

Mach‘ s dir doch selbst!

In ihrer Kolumne erzählt Redakteurin Janina von Dauerwichsern und weiblicher Scham beim Handanlegen.

Vibrator, Womanizer oder Handarbeit: Die Selbstliebe verschafft uns ungeahnte Höhepunkte. Nur am Wording muss noch gearbeitet werden.

Es ist zwar lange her aber: Mein Exfreund war ein Wichser. Um nun nicht in der Doppeldeutigkeit des Wortspiels zu versinken: Ich habe tatsächlich niemanden getroffen, der mit derartiger Emphase onanierte. Seine Vorstellung eines perfekten Samstagabends bestand darin Pornos aus dem Netz zu saugen, das Sofa mit Handtüchern abzudecken, Fusel hinunterzukippen, den Flat Screen anzuwerfen und zu, na ja: zu wichsen halt. Dabei glotze er mich gerne an – mit sinnentleertem, aber doch aufforderndem Blick – als ob mich der bloße Anblick seines Halbzärtlichen in Ektase versetzen könnte. Was soll ich sagen: An guten Tagen habe ich ihm dabei geholfen sich von seiner schweren Last zu befreien, an schlechten schlief ich im Gästezimmer. Ich habe nichts gegen eine gute Portion Eigenliebe, aber alles hat seine Grenzen.

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Wie jetzt: Rubbeln wir uns?

Wie auch unser Sprachschatz zum Beispiel. Ist euch bereits aufgefallen, dass kein Wort für aktive weibliche Selbstbefriedigung existiert? Männer wichsen, holen sich einen runter, wedeln sich ebendiesen von der Palme, pellen die Wurst, schnäuzen den Kasper, spielen Mütze-Glatze, etc. Und Frauen? Masturbieren, aber das ist schon das höchste der Gefühle. Umgangssprachlich werden wir ausgelassen. Oder haben sie schon mal eine Frau gehört, die bei einem gepflegten Glas Rotwein zu ihrer Freundin meinte: „Meine Güte, gestern Abend war ich so rattenscharf, ich hab‘ mir glatt dreimal einen…“ Na was? Runtergerubbelt? Das klingt nicht nur bescheuert, es ist auch anatomisch nicht korrekt, denn runter geht da gar nix. Was darauf schließen lässt, dass Selbstbefriedigung für Evas Töchter immer noch unter den Tabuthemen rangiert, und zwar ziemlich weit oben.

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Rein ins Vergnügen: Unter der Dusche oder im Bett

Warum diese Kluft, warum dieses Tabu? Immerhin plaudert man heutzutage doch ganz offen über sexuelle Vorlieben, und sogar der Wunsch nach Swingen oder Sex in der Öffentlichkeit ist leichter über die Lippen zu kommen. Das 19. Jahrhundert scheint noch tief in unseren Knochen zu sitzen – damals galt Selbstliebe als Sünde, welcher Blindheit, Knochenschwäche, Gehirnerweichung und Tuberkulose folgen sollen. Der Akne-Mythos hielt sich sogar beharrlich bis in die 1980er Jahre – wahrscheinlich hat ihn die verzweifelte Mutter eines Halbwüchsigen in die Welt gesetzt, die mit dem Wäsche waschen nicht nachkam. Dabei ist der Wunsch nach einem Solo-Ausritt doch völlig natürlich. Tiere tun es – nicht nur um ihre Fruchtbarkeit stabil zu halten, sondern auch zum Vergnügen. Frauen tun es. Laut einer Studie sogar über sechzig Prozent aller Österreicherinnen zwischen 20 und 45. Im Bett, am Sofa, unter der Dusche, manche sogar heimlich am Klo während der Arbeit.

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Klittern? Wir brauchen Wörter!

Nur – was eigentlich?  Schwedische Feministinnen wollen uns ein Wording schenken – die „Organisation für sexuelle Erziehung“ war nämlich der Meinung, dass der Frau eine eigene Begrifflichkeit für Onanie zustehe. Noch ist man sich nicht einig – aber „Klittra”, “Pulla”, und “Selfa” lagen gut im Rennen. Leider gingen die Damen nicht näher darauf ein, welcher Begriff dann den Akt an sich beschreiben soll: Pullen wir uns dann? Oder klittern wir?  Anyway. Vielleicht ruft TGWE  ja einen Wording-Wettbewerb für den deutschsprachigen Raum aus. Viel wichtiger ist allerdings, die Sache endlich mal zu enttabuisieren – und zwar radikal. Denn Klittern (hihi) hat viele schöne und wichtige Seiten. Selbst-Liebe ist, wie Sport oder eine Massage, eine effiziente Methode, sich emotional und physisch zu entspannen. Sie senkt den Blutdruck und hilft bei Einschlafstörungen. Sie setzt Endorphine frei und bringt uns unseren Körper näher. Sie hilft gegen Regelbeschwerden und allgemeinen Blues. Ich sag’s gleich: Ich tue es. Aus Lust, aus Langeweile, zum Einschlafen und gegen Bauchkrämpfe. Schon klar, mein Womanizer schickt mir keine Karte zum Valentinstag oder lädt zum Candle Light Dinner. Aber auf einer Party for One bin ich stets der glücklichste Gast.

In der Serie “Unlearning patriarchy” verlernen wir uns beigebrachte Geschichte und lernen sie aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Das Schreiben einer gemeinsamen „We-Story” beginnt damit die alten Geschichten zu verlernen. Sanft, freundlich und vor allem mit dem Vorsatz wenig zu werten.

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